Als ProduktentwicklerInnovationsverantwortlicher oder Projektleiter bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:

  • Auf welche Weise prüfen wir, ob ein neues Wertangebot am Markt erfolgreich ist?
  • Wie lassen sich die einem neuen Geschäftsmodell zu Grunde liegenden Hypothesen systematisch belegen?
  • Womit können wir im Entwicklungsprojekt entstehende Annahmen und Experimente systematisch dokumentieren?

Unterstützung findest Du in der Test- und Ergebniskarte sowie im Verfahren des Hypothesenvalidierung.


Ergebnis: Hypothese auf Basis von Tests bestätigt oder widerlegt

Teilnehmer: mind. 1

Dauer: mind. 20 Minuten (für Konzeption, nicht Testumsetzung)

Utensilien: Notebook, Internetanschluss & Office Software

Zweck

Die Testkarte hilft Dir beim systematischen Prüfen von Hypothesen und Dokumentieren von Erkenntnissen. Kritische Hypothesen, daher angenommene Antworten auf wichtige Fragen, solltest Du durch Tests validieren und damit bestätigen (verifizieren) bzw. widerlegen (falsifizieren). Anstelle von Vermutungen, Intuition bzw. Good Practices tritt zu Tage geförderte Fakten.

Mit der Testkarte definierst Du präzise…

  • welche Hypothese Du prüfen möchtest,
  • nach welchen Ansatz Du dabei vorgehst und
  • auf welche Schwerpunkte Du achtest.

Das Werkzeug systematisiert die Verprobung von Ideen und unterstützt eine aufwandsbezogene und transparente Umsetzung. Statt ein Probieren und Scheitern (engl. Trial & Error) als negativ anzusehen, stehen das iterative Lernen und der Erkenntnisgewinn im Zentrum.

Die beiden Mottos „Die besten Ideen sind meistens nicht die Ersten.“ sowie „Je öfter wir scheitern, desto früher können wir Erfolge feiern.“ sind für die Testkarte bezeichnend. Durch Hypothesenbildung und geordnetes Experimentieren baust Du Wissen auf und managst Risiken.

Synonyme für die Testkarte sind Testing Card, Evaluation Card oder Experimentation Card.


Aufbau

Eine Testkarte besteht aus zwei Seiten.


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Projekttipps

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Testkarte (Seite 1) – „Wie testen wir die Hypothese?“

Auf Seite 1 durchdenkst und dokumentierst Du den Test. In der Kopfzeile der Testkarte (engl. Test Card) notierst Du dazu…

  • einen eindeutigen und aussagekräftigen Testnamen,
  • genau einen Verantwortlichen für den Test,
  • die Frist, bis wann der Test die Hypothese bestätigt oder widerlegt haben soll sowie
  • den geschätzten Aufwand für die Testabsolvierung in Arbeitstagen (AT).

Anschließend hältst in vier Feldern fest:

  • die Hypothese, also die (Arbeits-)Annahme als temporäre neutral formulierte Erklärung eines Sachverhalts inklusive ihrer Priorität
  • der Test, damit das Prüfvorgehen für die Hypothese samt Machbarkeit und Verlässlichkeit
  • die Metrik, daher das Messverfahren für die Testergebnisse
  • die Kriterien, also die Parameter anhand derer Du feststellst, ob eine Hypothese sich erfüllt oder nicht erfüllt
Testkarte
Vorderseite der Testkarte (Seite 1) mit Angaben zur Hypothese und dem Prüfvorgehen

Testkarte (Seite 2) – „Wie halten wir die Erkenntnisse aus dem Test fest?“

Die Rückseite der Testkarte, also Seite 2, nutzt Du zur Dokumentation und Reflexion der Erkenntnisse. Auf der Erkenntniskarte (engl. Insight Card) ergänzt Du ebenfalls eine Kopfzeile durch…

  • einen eindeutigen und aussagekräftigen Erkenntnisnamen,
  • einen Verantwortlichen und damit Ansprechpartner für Testergebnisse und Erkenntnisse,
  • das Datum an dem der Test abgeschlossen wurde sowie
  • den tatsächlich benötigten Aufwand für die Testdurchführung in Arbeitstagen (AT).

Erneut hältst Du in vier Feldern fest:

  • die Hypothese, als 1:1 Wiederholung der Annahme von Seite 1
  • die Feststellung, daher die im Test durch Observation, Befragung, Interview etc. erhobenen und observierten Fakten inklusive Verlässlichkeit
  • die Erkenntnisse, also die von den Fakten abgeleiteten Konsequenzen, Schlüsse und Lernerfahrungen
  • die Entscheidung & Aktion, als Festlegung der nächsten Schritte nebst Wichtigkeit der Folgemaßnahmen
Testkarte
Rückseite der Testkarte mit Angaben zum Testergebnis, abgeleiteten Erkenntnissen sowie Folgeschritten

Es gilt: Pro Hypothese, mindestens eine Testkarte. Jede Annahme wird also mit einem oder mehr Experimenten abgesichert.


Anwendung

Nutze die Testkarte allein oder bei der Arbeit im Team.

1. Hypothesen bilden

Nicht jede offene Frage muss sofort in einer Hypothese münden. Spüre im ersten Schritt alle nicht beantwortbaren aber wichtigen Tatsachen auf, Aspekte denen eine hohe Unsicherheit und Ungewissheit anhaftet. Eine gute Anlaufstelle ist die Risikoliste und das RAID Log. Formuliere diese unbewiesenen Annahmen als Hypothesen, prägnant, eindeutig und verständlich.

Sortiere alle Hypothesen nach ihrer Relevanz, beginnend mit der fachlich bedeutungsvollsten. Diese wichtigste Annahme – auch Leithypothese genannt – sollten zuerst verprobt werden. Fünf Top-Hypothesen sind für den Anfang ausreichend.

2. Tests durchführen

Komplettiere für jede Hypothese Seite 1 der Testkarte. Überlege Dir, wie Du günstig und in kurzer Zeit eine Hypothese mit hoher Verlässlichkeit bestätigen oder entkräften kannst.

Arbeite mit quantitativen eindeutigen Größen. Subjektive Begriffe wie ’schnell‘, ‚besser‘ oder ‚einfacher‘ sind rasch notiert, jedoch sind sie in den sich anschließenden Tests nicht messbar.

Bereite die bevorstehenden Tests vor. Beispielsweise durch Desk Research oder einer Five Forces Branchenanalyse. Je besser ein Test präpariert ist, desto schneller geht er vonstatten.

Realisiere die Tests auf Basis der Testkarte. Das kann das Kurzinterview eines Kollegen, die Schaltung einer Internetumfrage, die Kurzbefragung von Fußgängern in der Einkaufspassage, die Installation einer Demo-App etc. sein.

Achte dabei auf die zuvor festgehaltenen Metriken und Kriterien.

3. Fakten erheben

Notiere alle gewonnenen, gemessenen, beobachteten etc. Fakten im Feld ‚Feststellung‚ des Erkenntnisteils der Testkarte. Falls die erhobenen Daten nicht in das Feld passen, verweist Du auf diese und fasst die Quintessenz in einem Satz zusammen.

4. Erkenntnisse bewerten

Leite pro Feststellung Erkenntnisse ab.

  • Was können wir aus der Umfrage lernen?
  • Welche Informationen lassen sich aus der Zählung gewinnen?
  • Was heißt das für die Hypothese?

Es geht weniger um das Warum, sondern um die Auswirkung eines Tests auf die Annahme. Beachte, dass eine Hypothese bestätigt, widerlegt oder weiterhin offen bleiben kann.

5. Folgemaßnahmen umsetzen

Ein Test kann eine Hypothese bestätigen, widerlegen oder – im schlechtesten Fall – offen lassen. Anhand der Testerkenntnisse und deren Verlässlichkeit entscheidest Du über die Folgeschritte. Das kann ein leicht variierter Test, ein komplett neuer Test oder oder der Folgeschritt im Projekt auf Basis eines gesicherten Faktes (statt vormals Hypothese) sein.

Testkarte
5-stufige Vorgehen beim Validieren von Hypothesen auf Basis einer Testkarte

Beispiele

Neuentwicklung von Geschäftsmodellen

2018 habe ich das Konzept der Testkarte bei der Neuentwicklung von Geschäftsmodellen eines Energie-Infrastrukturausrüsters zur Anwendung gebracht. Nachfolgend die Testkarte (Seite 1 und 2) in anonymisierter Fassung.

Testkarte
Beispiel für eine Testkarte zur Verprobung eines neuen Geschäftsmodells (Seite 1)

Ein Jahr später habe ich den Ansatz für die Verprobung von IT-Systemanforderungen eingesetzt, dazu den Begriff  ‚Hypothese‘ durch ‚Anforderung‘ ersetzt. Erneut gab uns die Testkarte bei der Arbeit viel Struktur.

Testkarte
Beispiel einer Testkarte für die Verprobung eines Geschäftsmodells (Seite 2)

Hypothesen im Projektgeschäft

Immer wieder in der Projektarbeit stößt Du auf Situationen, in denen Du bewusst Annahmen treffen musst. Einige Beispiele:

  • Bei der Entwicklung eines Digitalen Geschäftsmodells ist unklar, ob ein Endkunde bereit ist für den innovativen online Service zu bezahlen.
  • Dein Kunde möchte ein in die Jahre gekommenes IT-System mit einer neuen Software ablösen. Offen ist, ob das Nachfolger-Tool wirklich alle Anforderungen erfüllt.
  • Du planst Dir ein neues Auto anzuschaffen. In Frage kommen zwei Modelle unterschiedlicher Hersteller. Du bist unsicher, welches das richtige ist.

In allen drei Fällen stellst Du implizit oder explizit Hypothesen auf. Anschließend verprobst Du diese dann.

  • Im Falle des Digitalen Geschäftsmodells ist das eine Befragung 30 potentieller Kunden auf Basis eines Fragebogens.
  • Beim neuen IT-System kommt ein Testbetrieb einer 30-Tage Demo-Installation in Frage.
  • Für das neue Auto liegt eine Probefahrt am Samstagvormittag nahe.

Hypothesen im Alltag

Links oder rechts?

Du stehst an einer Kreuzung in den weiten Fluren eines großflächigen Bürokomplexes. Du bist neu, kennst Dich mit den Laufwegen überhaupt nicht aus. In welche Richtung ging es noch einmal zum Konferenzraum?

Du fasst einen Entschluss: Links. Und stellst damit gleichzeitig eine Hypothese auf. Der Weg linksherum führt zum Ziel. Falls Du irrst, sind das maximal 2 Minuten Lauferei zusätzlich. Im Geschäftsleben sind die Konsequenzen einer falschen Hypothese selten so gering.


Vor- & Nachteile

Pro

  • Die Testkarte zwingt dazu, sich mit der Hypothese und der sich anschließenden Analysearbeit auseinanderzusetzen. Statt einem willkürlichen und subjektiven Prüfen, gehst Du geordnet und präzise vor.
  • Beim Ausfüllen der Testkarte erhältst Du einen Überblick über die für das Experiment erforderlichen Aufwände. Bewusst kannst Du entscheiden, wie viel Arbeit und Zeit Dir das Prüfen einer Annahme Wert ist und welche Tests Du priorisierst.
  • Durch die Dokumentation lassen sich Tests und Ergebnisse auch für Nicht-Beteiligte nachvollziehen. Eine spätere Wiederholung der Tests ist ebenfalls möglich.
  • Das Konzept zwingt zur Fokussierung. Welche Aspekte willst Du genauer untersuchen? Welche nur am Rand streifen? Gibt es Facetten, die Dich überhaupt nicht interessieren?
  • Jeder Test und jedes Ergebnis besitzt mit beiden Karten eine identische Beschreibungsstruktur. Zudem steht alles auf einem (virtuellen) Blatt Papier. Das ist praktisch, sorgt für Ordnung und erleichtert die Arbeit.

Contra

  • Die Nutzung einer Testkarte erfordert Disziplin. Insbesondere falls die Hypothese banal anmutet, ist nicht jeder bereit Energie in die zuvor erforderliche Formulierung und Dokumentation zu stecken.
  • Kunden, Kollegen und Partner kennen oft nicht die Testkarte und ihre strukturierte Vorgehensweise. Hier solltest Du das bisher unbekannte Konzept zuvor am Beispiel einführen.
  • Bei umfangreichen Experimenten (komplexe Testaufbauten, langwierige Umfragen, detaillierte Ergebnisse) stößt der Zwei-Seiter Testkarte an seine Platzgrenze. Zusatzinfos musst Du auf Begleitdokumentation auslagern.

Praxistipps

Tipp 1 – Tests nach Machbarkeit & Nutzen priorisieren

Das Aufsetzen, Organisieren und Testen von Hypothesen benötigt Zeit und verursacht Kosten. Bewusst solltest Du deshalb im Vorfeld die Annahmen priorisieren und die erfolgskritischsten Vertreter auswählen. Als pragmatische Filterkriterien empfiehlt sich analog der Ideenbewertung die technische Machbarkeit sowie den fachliche Nutzen zu betrachten.

Tipp 2 – Karteninhalte digital dokumentieren

Du kannst die Testkarte sowohl physisch an einem Whiteboard bzw. Flipchart erarbeiten oder digital am Notebook mit einer Präsentationssoftware. In meiner Praxis hat sich das Notebook inklusive Projektor bzw. geteilten Bildschirm als das bessere Werkzeug erwiesen.

Falls die Beschreibung mehr Platz benötigt, reduzierst Du die Schriftgröße. Texte kannst Du verlinken bzw. auch kurzerhand verschieben.

Tipp 3 – Hypothese & Test variieren

Manchmal ist ein Test für eine Hypothese zu langwierig, zu teuer oder beides gleichzeitig.

  • Überlege, ob es vielleicht eine spezifischere Hypothese gibt, die einfacher verprobt werden kann.
  • Überlege ebenfalls, ob es nicht einen günstigeren Test gibt, der mit geringfügig schlechterer Verlässlichkeit die Hypothese be- oder entkräftet.

Tipp 4 – Analogien und Nicht-Testen betrachten

Nicht jede Hypothese musst Du testen. Teilweise haben dies bereits Kunden, Partner oder gar Wettbewerber getan. Die Annahmen sind zwar neu für Dich, nicht aber für den Markt. Stelle Analogien her.

So war Steve Jobs beim Start seines ersten Apple iPods im Jahre 2001 klar, dass die Nutzer auf offener Straße Kopfhörer tragen würden. Sonys Walkman hatte in den 1980er Jahren bereits den Beweis erbracht.

Überlege auch, was die Konsequenzen sind, falls Du mit der Hypothese falsch liegst, d.h. ein Risiko eingehst. Teilweise sind die Folgen sehr milde und würden den Aufwand für einen Test nicht rechtfertigen.

Tipp 5 – Repräsentative Tests durchführen

Was nützen Dir Testergebnisse, wenn diese an der Realität vorbeigehen?

Binde repräsentative Kunden und Partner für ein realistisches Ergebnis ein. Betrachte Mess-, Umfrage– und Beobachtungsdaten integriert in ihrem Kontext. Teste offen, bereit für jedes mögliche Ergebnis.

Tipp 6 – Mit anderen Testmethoden verbinden

Die Technik lässt sich prima mit dem anderen Testmethoden kombinieren.

  • Stehen beim QHAR Prinzip die Frage (engl. Question) und Hypothesen (Hypotheses) fest, definierst Du mittels Testkarte die abgeleiteten Untersuchungsschritte (engl. Analyses) sowie notwendigen Ressourcen (engl. Resources).
  • Bei einer zu umfangreichen Hypothese verfeinerst Du mittels dem Hypothesis Tree.
  • Interviews, Fragebogen, Observationen und Minimum Viable Products strukturieren Deine Tests.
  • Bette die Testkarte in den Design Sprint ein und verprobe in 4 Tagen eine Geschäftsidee.

Ursprung

Alexander Osterwalder, der Entwickler des Business Model Canvas und des Value Proposition Canvas, steht hinter den Konzept der Testkarte. Osterwalder bediente sich den Ideen aus dem Themenfeld Lean Startup.


Bonusmaterial

Strategyzer: Validate Your Ideas with the Test Card (3 min) – Alexander Osterwalder erklärt das Prinzip der Testkarte

Strategyzer: Capture (Customer) Insights and Actions with the Learning Card (2 min) – Strategyzer erklärt den Erkenntnisteil der Lernkarte

  • DATAtab: Hypothesentest – ausführlicher und ansprechend illustrierter Beitrag zu Prüfung von Stichprobendaten

„Einen Fehler machen und ihn nicht korrigieren, heißt wirklich einen Fehler machen.“

– Konfuzius, chinesischer Philosoph

„Das ganze Leben ist ein Versuch. Je mehr Versuche du durchführst, desto besser.“

Ralph Waldo Emerson, US-Amerikanischer Philosoph

Letzte Aktualisierung am 28.03.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API


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