Storytelling im Change Management – Wie Consultants Veränderungen überzeugend vermitteln (Gastbeitrag)
In unserer heutigen, sich rasant verändernden Geschäftswelt sind Unternehmen ständig gefordert, sich anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch obwohl die Notwendigkeit von Veränderungen in vielen Fällen offensichtlich ist, stehen viele Unternehmen vor großen Herausforderungen, wenn es um die Umsetzung dieser Veränderungen geht. Consultants spielen eine entscheidende Rolle dabei, Unternehmen durch diese Veränderungsprozesse zu führen. Viele Consultants sind gewohnt, ihre Kunden durch Studien und Zahlen davon zu überzeugen, welche Veränderungen notwendig sind. Eine der mit Abstand wirkungsvollsten Werkzeuge kommt aber nicht aus der Welt der Zahlen, Daten, Fakten, sondern aus der Welt der Emotionen: nämlich Storytelling.
Dieser Artikel zeigt, wie Consultants Storytelling nutzen können, um ihre Kunden von der Notwendigkeit von Veränderungen zu überzeugen und den Übergang so reibungslos wie möglich zu gestalten.
Die Kraft des Storytellings
Unsere Gesellschaft ist geprägt von Daten, Zahlen und Fakten. Doch oft vergessen wir, dass es der Mensch ist, der im Zentrum jeder Veränderung steht. Menschen reagieren nicht so sehr auf Statistiken, sondern vor allem auf Geschichten bzw. konkrete Beispiele. Geschichten sprechen uns an, sie machen Unsichtbares sichtbar und geben uns Orientierung. Im Change Management geht es nicht darum, Menschen zu manipulieren oder zu überreden, sondern sie zu verstehen und mitzunehmen. Geschichten helfen uns, Brücken zu bauen – zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte.
Eine Geschichte ist ein starkes Instrument, um zu vermitteln, warum eine Veränderung notwendig ist. Sie kann die Dringlichkeit aufzeigen und gleichzeitig eine Vision für die Zukunft schaffen. Doch vor allem kann sie das Vertrauen der Menschen gewinnen, indem sie zeigt, dass ihre Sorgen und Ängste ernst genommen werden. Denn Veränderung bedeutet immer auch Abschied – von alten Gewohnheiten, von Vertrautem.
Die Ausgangssituation: Warum Veränderung notwendig ist
Ein erster Schritt im Veränderungsprozess ist es, den Status quo zu hinterfragen.
- Warum sind wir in dieser herausfordernden Situation?
- Warum machen wir die Dinge so, wie wir sie machen?
- Was passiert, wenn wir nichts ändern?
Genau hier setzt gutes Storytelling an. Als Consultant können wir eine Geschichte erzählen, die die derzeitige Situation des Unternehmens beschreibt und die negativen Konsequenzen verdeutlicht, die sich aus dem Status quo ergeben. Diese Geschichte sollte konkrete Beispiele und Szenarien aufzeigen, mit denen sich die Kunden identifizieren können.
Zum Beispiel könnte ein Consultant die Geschichte eines Unternehmens erzählen, das sich in einer ähnlichen Situation befunden hat und das aufgrund fehlender Innovation zunächst Marktanteile verloren hatte, bevor es bereit für einen Wandel war. Eine solche Geschichte macht die möglichen Konsequenzen deutlich und zeigt, welche Risiken aus dem Verharren in der jetzigen Situation bestehen. Gleichzeitig vermittelt sie auch Hoffnung, indem sie aufzeigt, wie eine rechtzeitige Veränderung das Blatt wenden kann.
Die Vision: Das wünschenswerte Szenario verdeutlichen
Veränderung sollte nie Selbstzweck sein. Es geht darum, eine bessere Zukunft zu gestalten. Doch diese Zukunft muss konkret und greifbar sein, sie muss die Menschen bewegen. Eine Vision, die nur aus abstrakten Zielen und Strategien besteht, bleibt für viele Menschen unverständlich und fern. Storytelling spielt dabei erneut eine Schlüsselrolle. Eine lebendige Geschichte, die beschreibt, wie die Zukunft aussehen könnte, weckt Neugier und schafft Motivation.
Auch dazu ein kurzes Beispiel: Wir schildern die Geschichte über ein Unternehmen, das durch die Einführung neuer Technologien seine Prozesse deutlich effizienter gestaltet hat und dadurch sowohl die Mitarbeiterzufriedenheit als auch die Kundenzufriedenheit steigern konnte.
Widerstände ernst nehmen: Emotionen verstehen und ansprechen
Fast jede Veränderung bringt Widerstände mit sich. Die meisten Menschen sind von Natur aus gewohnheitsliebend und eher skeptisch gegenüber Neuem. Ein Consultant muss sich dieser Tatsache bewusst sein und die emotionalen Barrieren verstehen, die einer Veränderung im Wege stehen. Durch gutes Storytelling können wir als Berater aufzeigen, dass diese Ängste und Sorgen zwar berechtigt sind, dass sie aber auch überwunden werden können.
Zum Beispiel können hier konkrete Beispiele von Mitarbeitern aus Unternehmen dargestellt werden, die anfangs skeptisch gegenüber einer neuen Arbeitsweise war, nach ein paar Wochen aber erlebten, wie diese Veränderung ihre Arbeit wirklich erleichterte und es keine Floskel war. Solche Beispiele erzielen Identifikation und zeigen, dass Veränderung nicht zwangsläufig etwas Negatives ist.
Authentizität und Glaubwürdigkeit: Die Rolle des Consultants
Für Consultants ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Geschichten, die sie erzählen, authentisch und glaubwürdig sind. Kunden müssen spüren, dass die Geschichten echt sind und einen realen Bezug zur Situation ihres Unternehmens haben. Nur so können sie sich emotional auf die Stories einlassen und die Botschaften wirklich annehmen.
Als Consultants haben wir die Aufgabe, authentische Geschichten zu erzählen. Geschichten, die nicht beschönigen, die ehrlich sind und auch die schwierigen Seiten der Veränderung zeigen. Denn nur so können wir das Vertrauen gewinnen, das notwendig ist, um den Wandel erfolgreich zu gestalten.
Fazit: Storytelling als wichtiger Schlüssel im Change Management
Storytelling ist ein mächtiges Werkzeug im Change Management. Es ermöglicht Consultants, komplexe Veränderungsprozesse verständlich und nachvollziehbar zu machen, emotionale Bindungen aufzubauen und Widerstände zu überwinden. Die besondere Kunst des Storytellings liegt darin, die richtige Balance zu finden zwischen Fakten und Emotionen einerseits, und zwischen der Darstellung der aktuellen Herausforderungen und der Vision einer besseren Zukunft andererseits.
Fallstudie: Storytelling und ein wirkungsvoller Change bei LEGO
Hintergrund
Ende der 1990er Jahre und Anfang der 2000er Jahre stand LEGO vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Das Unternehmen hatte sich in zahlreichen weiteren Geschäftsfelder ausgebreitet, die nichts mit den berühmten Bausteinen zu tun hatten. Das führte zu erheblichen finanziellen Verlusten, die einen größeren Change erforderten.
Der Storytelling-Ansatz
Jørgen Vig Knudstorp wurde 2004 CEO von LEGO und nutzte Storytelling, um das Unternehmen auf seine Kernkompetenzen zurückzuführen: Kreativität und das Bauen mit LEGO-Steinen. Knudstorp erzählte die Geschichte von LEGO als „Baumeister der Zukunft“, die die kreative Kraft des Spielens fördert. Er nutzte die besondere Historie und die starken Markenwerte von LEGO, um eine klare, konsistente und inspirierende Geschichte für den notwendigen Change zu erzählen.
Schlüsselfaktoren für den Erfolg
- Rückbesinnung auf die Kernwerte: Knudstorp erinnerte die Mitarbeiter an die ursprüngliche Mission von LEGO: „Inspire and develop the builders of tomorrow.“ Durch das Erzählen von Geschichten, die die Werte des kreativen Spielens und Lernens betonten, schuf er eine starke emotionale Verbindung zu den Wurzeln des Unternehmens.
- Geschichten von Erfolg und Scheitern: LEGO nutzte Storytelling, um sowohl Erfolge als auch Misserfolge zu teilen. Diese Offenheit schuf Vertrauen und zeigte, dass das Unternehmen aus seinen Fehlern lernt. Geschichten über frühere Produkte, die nicht erfolgreich waren, und was man daraus gelernt hat, förderten eine Kultur des Lernens und der kontinuierlichen Verbesserung.
- Kundenfokussierte Geschichten: LEGO begann, Geschichten von Fans und Nutzern zu sammeln, die zeigten, wie die Produkte Menschen inspirierten und ihre Kreativität förderten. Diese Geschichten wurden in Marketingkampagnen und internen Kommunikationstools verwendet, um den Wert von LEGO-Produkten und die Bedeutung der Veränderung zu unterstreichen.
- Engagement durch Mitarbeitergeschichten: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden ermutigt, ihre eigenen Geschichten und Ideen zu teilen, wie LEGO noch besser werden könnte. Diese Herangehensweise schuf ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung und förderte das Engagement für die Veränderungsziele.
Ergebnis
LEGO erlebte eine beeindruckende Wende und wurde zu einem der erfolgreichsten Spielzeughersteller der Welt. Die Rückbesinnung auf die Kernwerte und die Nutzung von Storytelling, um diese Werte zu vermitteln, spielten eine entscheidende Rolle bei der Veränderung.
Checkliste für Consultants: Erfolgreiches Storytelling im Change Management
Um als Consultant überzeugende und passende Geschichten im Change Management zu entwickeln, ist es wichtig, systematisch vorzugehen und bestimmte Elemente zu berücksichtigen. Diese Checkliste soll Ihnen dabei helfen, überzeugende Stories zu entwickeln:
1. Ziel der Geschichte definieren
- Was möchte ich mit der Geschichte erreichen? (z.B. Dringlichkeit vermitteln, Vision aufzeigen, Widerstände abbauen)
- Wer ist meine Zielgruppe? (z.B. Senior Management, Führungskräfte, Mitarbeiter …)
- Welches konkrete Verhalten oder welche Einstellung möchte ich beeinflussen?
2. Die Ausgangssituation beschreiben
- Wie sieht der aktuelle Status quo aus? (Probleme, Herausforderungen, Chancen)
- Welche konkreten Beispiele aus dem Unternehmen oder der Branche kann ich nutzen, um die Ausgangssituation zu verdeutlichen?
- Warum ist eine Veränderung notwendig?
3. Eine emotionale Verbindung herstellen
- Welche Gefühle sollen durch die Geschichte angesprochen werden? (z.B. Anerkennung für Erreichtes, Angst vor Verlust, Hoffnung auf Verbesserung)
- Gibt es persönliche Geschichten oder Anekdoten, die die Zielgruppe emotional berühren könnten?
- Wie kann ich Empathie zeigen und die Sorgen und Bedenken der Mitarbeiter ernst nehmen?
4. Die Veränderung visualisieren
- Wie soll die Zukunft nach der erfolgreichen Veränderung aussehen? (konkrete und positive Zukunftsszenarien)
- Welche Vorteile bringt die Veränderung für das Unternehmen und die Mitarbeiter? (z.B. verbesserte Arbeitsprozesse, höhere Zufriedenheit, bessere Marktposition)
- Welche Beispiele aus anderen Unternehmen der gleichen Branche oder aus meiner eigenen Erfahrung kann ich einfließen lassen?
5. Konflikte und Widerstände ansprechen
- Welche Widerstände könnten auftreten? (Ängste, Unsicherheiten, Verlust von Kontrolle)
- Wie können diese Widerstände in der Geschichte eingebaut werden? (Ehrlichkeit über Herausforderungen und Hindernisse)
- Welche Beispiele von Mitarbeitern gibt es, die zunächst skeptisch waren und später die Vorteile erkannt haben?
6. Lösungen und Erfolge hervorheben
- Welche konkreten Maßnahmen werden ergriffen, um die Veränderung zu unterstützen? (Schulungen, neue Technologien, Kommunikationsstrategien)
- Wie können diese Maßnahmen in der Geschichte präsentiert werden, um Vertrauen zu schaffen?
- Welche „Quick Wins“ oder Erfolge gibt es, die als positive Beispiele dienen können?
7. Die Geschichte authentisch und glaubwürdig gestalten
- Basieren die Geschichten auf realen Ereignissen und Erfahrungen?
- Sind die Charaktere und Szenarien in der Geschichte nachvollziehbar und realistisch?
- Spiegeln die Geschichten die Werte und Kultur des Unternehmens wider?
8. Zu einer klaren Handlung aufrufen
- Was sollen die Zuhörer nach dem Hören der Geschichte tun? (z.B. sich aktiv einbringen, Vorschläge machen, an Schulungen teilnehmen)
- Wie können sich die Zuhörer in den Veränderungsprozess einbringen?
- Welche ersten Schritte können die Zuhörer konkret unternehmen?
Über den Autor Frank Rebmann
Der studierte Psychologe sowie Philosoph Frank Rebmann und die Stärkentrainer GmbH sind Experten darin, Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten. Mit ihrem Fokus auf die Stärken von Führungskräften und Mitarbeitenden schaffen sie es, Widerstände in Energie umzuwandeln und eine Kultur der positiven Veränderung zu etablieren.
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