Gebhard Borck

Mittelständler denken anders wie Großfirmen oder Konzerne – Gebhard Borck im Interview

Consulting im Mittelstand – was bedeutet das? Anfang des Jahres stellte ich mir diese Frage. Und fand in Büchern, Online Artikeln und Sozialen Netzwerken erstaunlich wenige Antworten. Wie ticken mittelständische Firmen, sobald es um Beratung geht? Geht es nicht weiter, fragt man am besten jemanden der Erfahrungen auf diesem Gebiet hat. Deshalb wand ich an Gebhard Borck – Mittelstandsberater, Keynote Speaker und Buchautor. Im Interview sprechen wir über Tagessätze, Buchmarketing und nutzenbasiertes Consulting.


Dr. Christopher Schulz (Consulting LIFE): Hallo Gebhard – Starten wir unser Gespräch mit Deiner Vita. Nach einem knappen Jahr Festanstellung hast Du Dich als Consultant selbstständig gemacht. Warum dieser Schritt ins Unternehmertum und in die Beratung?

Ich wollte als Assistent der Geschäftsleitung bei meinem ersten Arbeitgeber schon sehr schnell strukturelle und strategische Themen angehen. Eines Tages sagte mir mein Chef und Eigentümer der Firma: „Herr Borck, ich schätze Ihr Engagement sehr. Doch wenn Sie das alles gleich machen wollen, dann müssen Sie Ihre eigene Firma gründen.“.

Ich hörte ihm aufmerksam zu, kam zum selben Schluss und gründete wenige Monate später, im Herbst 1999 meine erste Firma. Leider lief die weniger als ein halbes Jahr. Dann waren wir pleite. Ich besonders, da ich die Löhne meiner Mitarbeiter noch nach der Entlassung weiterzahlen musste.

Zur Beratung kam ich dann wie die Jungfrau zum Kinde. Ich brauchte schnell ausreichend Geld, um wieder auf die Beine zu kommen. Also bewarb ich mich bei einer Beratungsfirma. Ohne die Selbständigkeit aufzugeben, übernahm ich ein Mandat bei einem OEM.

Fünfzehn Monate danach stieg ich dort direkt als Freiberufler ein. Ich begann mit internationalem Projektmanagement. Dabei erkannte ich, dass häufig das Organisationssystem selbst ein Hindernis war. Also bildete ich mich zum Organisationsentwickler weiter und erfand eine eigene Großgruppenmethode. Damit kam ich 2006 schließlich zu meinem ersten Transformationsvorhaben bei einem Mittelständler.


In mittleren Firmen bist du ganz schnell der Berater für drei, vier und noch mehr Themen.


Du berätst insbesondere im Mittelstand. Was zeichnet die Beratungsarbeit hier aus?

Mittelständler denken anders wie Großfirmen oder Konzerne. Wo dort Stunden- und Tagessätze ganz normal sind, orientieren sich kleine Firmen eher an Größenordnungen wie Gehältern bzw. Wartungshonorare für ihre Maschinen.

Außerdem wollen Betriebe mit weniger als 100 Mitarbeiter:innen gerne, dass du auch dann noch da bist, wenn deine klugen Worte und Vorschläge an der Wirklichkeit zu scheitern drohen. Auch hier anders als in Konzernen, die eine klare Vorstellung von der Rolle eines Beraters haben. In mittleren Firmen bist du ganz schnell der Berater für drei, vier und noch mehr Themen/Probleme. Denn das ist genau, was sie brauchen: Menschen die dabei helfen, ihre Probleme zu lösen.

So entwickelte ich zusammen mit meinen Kunden neue Wege, meinen Wertbeitrag zu bestimmen, daraus ein Honorar abzuleiten und beides zu nutzen, um die von mir erwartete Arbeit für beide Seiten verständlich festzulegen. In diesem Verständnis schulde ich eher ein Gewerk, etwa wie ein Handwerker, denn eine Dienstleistung.

Damit fällt es dann auch einfacher, das Honorar festzulegen. Ich verhandle mit meinen Kunden schlicht die Gesamtsumme, bis das Resultat erreicht ist, das wir uns gemeinsam erarbeitet haben. Sie bezahlen mich dann in gleichmäßig hohen monatlichen Raten, die sich beispielsweise an ihren Gehaltsstrukturen orientieren, über eine festgelegte Laufzeit.

So spreche ich die Sprache des Mittelstands, was die Zahlungseinheiten angeht und komme dennoch zu meinem Honorar. Allerdings muss ich als Berater da ziemlich genau wissen, was für einen Aufwand ich habe. Denn in dem Moment, wo mein Kunde ein Ergebnis erwartet, ist es egal, wie hoch mein Zeitaufwand dafür ist. Ich bleibe, bis zur Erfüllung.

Eine Möglichkeit des Marketings im Consulting ist das Buch, so trägt zum Beispiel Dein kürzlich veröffentlichtes Buch den Titel Die selbstwirksame Organisation*. Konkret: Wie gewinne ich mit einem Buch Kunden?

Indem es Probleme und Lösungen in einer Sprache aufgreift, die deine Wunschkunden haben. Ich konzentriere mich beispielsweise seit über zehn Jahren darauf, kleine Mittelständler mit zehn bis maximal tausend Mitarbeiter:innen bei der Transformation in eine hierarchiearm wirksame Organisation zu begleiten. Das was heute vielerorts unter NewWork, Agil oder Dezentralisiert verstanden wird. In meinem ersten Buch zu diesem Thema zeige ich anhand von Anekdoten, dass ich ihren Alltag tatsächlich kenne und miterlebe. Im neuen Buch erkläre ich ihnen, wie sie systematisch lernen können so zu denken, dass auch bei ihnen eine aus sich heraus wirksame Firma dabei herauskommt.

Ein Betrieb, der die Führung von viel Arbeit entlastet und die Belegschaft in die Gestaltung, selbst der Firmenstrategie integriert. Sobald ich dazu ein Buch veröffentliche passieren zwei Dinge. Erstens nehmen mich potenzielle neue Kunden schneller ernst. Zweitens stabilisieren sich meine Preise.

Wo sich, denke ich, viele Kolleg:innen etwas vormachen ist, dass ein Buch automatisch neue Aufträge hereinschwemmt. Das kann dort passieren, wo es als Ratgeber eine ganz bestimmte Methode oder einen Vortrag beschreibt. Schon allein, wenn ich ein Konzept oder einen noch größeren Zusammenhang zum Thema mache, ändert sich das Bild. Jetzt dient es mehr den beiden Punkten, die ich oben nannte. Und natürlich ist es eine deutlich wertigere Visitenkarte, als ein sechs mal vier Zentimeter großes Stück bunter Pappe 😉.


Sobald ich ein Buch veröffentliche passieren zwei Dinge. Erstens nehmen mich potenzielle neue Kunden schneller ernst. Zweitens stabilisieren sich meine Preise.


Vor einiger Zeit habe ich im Blog Dein Buch Dein Preis – Wie Du ein Angebot erstellst, was Deinen Wert entspricht vorgestellt. Eine wiederkehrend spannende Frage für uns Berater – wie hoch darf, soll und muss ich meinen Tagessatz ansetzen?

Wie oben bereits gesagt, empfehle ich bei Mittelständlern ganz vom Tagessatz weg zu gehen. Ermittle zusammen mit deinen Kunden seinen und zwar erst einmal nur seinen Gesamtnutzen, wenn du dabei unterstützt, eines oder mehrere seiner Probleme zu lösen. Kläre mit ihm zusammen, wie hoch dein Anteil an diesem Nutzen ist. Und dann sprecht ihr darüber, nach welchem Modus (monatliche Abschläge) er dich bezahlt.

Nehmen wir beispielsweise eine Enterprise Resource Planning (ERP)-Substitution. Für den Kunden kann es Sinn haben, sowohl während der Suche und Auswahl wie zur Implementierung selbst, einen eigenen Spezialisten zu beschäftigen. Ein typischer Beraterjob. Es braucht dafür eine bestimmte Expertise, allerdings nur auf Zeit. Dann könnt ihr schon zusammen erarbeiten, welche Verbesserungen sich dein Kunde vom neuen System erwartet. Das könnt ihr sowohl monetär etwa in neuen Kundengruppen oder automatisiert verkürzten Prozessen wie qualitativ bspw. kulturell bestimmen. Vom Gesamtnutzen muss der Kunde jetzt das System und dich bezahlen können. Auch das könnt ihr jetzt sehen. Aus dieser Analyse heraus kann ich dann ebenfalls festlegen, ob der Auftrag für mich überhaupt lukrativ ist.

Das Tolle an dieser Herangehensweise ist, dass von vorneherein eine sehr gute Grundlage für ein späteres Konfliktmanagement gelegt ist. Deine Kunden und du, ihr könnt immer wieder zurück zum Template der Nutzenanalyse gehen.

Wenn wir es als Berater verstehen, für die Problemlösung wirksam zu sein, können wir mit vergleichsweise wenig Zeitaufwand teilweise sehr hohe Honorare erzielen. Das ist ein großer Vorteil dieses Berufsstandes.


Mit Corona legen Kunden deutlich mehr Augenmerk darauf, tatsächlich eigene Probleme zu lösen.


Letzte Frage mit einen flüchtigen Blick in die berüchtigte Glaskugel. Nach Corona: Was wird sich für die Beratungswelt ändern?

Naja, Corona hat mich kurzfristig Umsatz gekostet. Auch bei mir wurden am 12. März über 80 Prozent der Aufträge auf Eis gelegt. Doch zu meinem Thema konnte ich inzwischen einen neuen Vertriebsansatz entwickeln und bin, nachdem ich das Buch geschrieben habe, bereits wieder mit neuen Kunden in Kontakt, während die alten so langsam auch zurückkommen.

Was ich um mich herum allerdings sehe ist, dass die Kunden deutlich mehr Augenmerk darauflegen, tatsächlich eigene Probleme zu lösen. Ich leite daraus ab, dass Kolleg:innen, die für ihre Leistungen Vertrauen oder größere Vorinvestitionen brauchen – ich denke da an Trainer, Konzeptberater und Eventmoderatoren –  es noch eine ganze Zeit schwer haben werden.

Ich hoffe, dass gerade im Mittelstand die Entscheider eine höhere Klarheit darin gewinnen, die Blender:innen von tatsächlich Leistenden zu unterscheiden.

Super. Vielen Dank für Deine Zeit und das geteilte Wissen. Bis dahin eine gute Woche, Christopher

Das Gespräch führte Gebhard Borck und Christopher Schulz per E-Mail am 15. September 2020.


Über den Interviewpartner Gebhard Borck
Seit über zwei Jahrzehnten begleitet Gebhard Borck Unternehmen erfolgreich dabei, agil zu sein. Dabei ist es sein Ziel über eine Kultur der intelligenten Kollaboration die Firma konsequent selbstwirksam machen. Der Pforzheimer studierte Betriebswirtschaft, bevor er sich als Berater selbstständig machte. Wer sich für sein neues Buch interessiert, bekommt es hier.

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