Du kennst sie aus Deiner Kindheit und hörst sie zunehmend auch im Geschäftskontext: Geschichten, neudeutsch Stories. Eine Story gibt ein vergangenes oder zukünftiges Geschehen in mündlicher oder schriftlicher Form wieder. Der Fokus liegt auf der Entwicklung, dem Zweck sowie die damit verbundenen Emotionen. Rationale Zahlen, Daten und Fakten treten zurück. Doch was macht Business Story Telling für Unternehmensberater interessant? Und wo kann ich die Kommunikationsform konkret einsetzen? Zu diesen und weiteren Fragen sprach ich mit Dr. Daniel Simon.


Hallo Daniel: Du berätst und schulst im Business Story Telling. Weshalb ist das gerade heute für Kundenunternehmen relevant?

Storytelling ist nicht erst heute ein wichtiges Thema. In der Tat hat es aber durchaus noch an Bedeutung gewonnen in den vergangenen Jahren. Das liegt zum einen an der heutigen Schnelllebigkeit. Unternehmen müssen sich zügiger und häufiger an veränderte Gegebenheiten anpassen. Es entsteht somit immer wieder Erklärungsbedarf in der Organisation. Hier kommt dann Storytelling ins Spiel.

Dazu kommt, dass sich auch die Unternehmenskultur und individuellen Erwartungen vielerorts geändert haben. Die Menschen wollen stärker mitgenommen werden und wirklich verstehen, wohin die Reise geht und warum. Schließlich sind auch die Themen mitunter komplexer geworden. Um diese für den Zuhörer ‚bekömmlicher‘ zu machen und dafür zu sorgen, dass Kernbotschaften hängen bleiben, ist eine gute Story von nicht unwesentlicher Relevanz.


Die Menschen wollen stärker mitgenommen werden und wirklich verstehen, wohin die Reise geht und warum.


Als Unternehmensberater: In welchen konkreten Akquise- und Projektaufgaben kann ich Business Story Telling einsetzen?

Storytelling lässt sich erfahrungsgemäß in ganz unterschiedlichen Situationen einsetzen.

Steht die Entwicklung und Einführung neuer Strukturen, Abläufe oder Konzepte zur Debatte, kann eine überzeugende Story durchaus eine entscheidende Rolle dabei spielen, das benötigte ‚Commitment‘ für ein solches Vorhaben zu erlangen. Natürlich ist Storytelling aber auch dann gefragt, wenn ein neu entwickelter Ansatz schließlich in der Organisation verankert und vermarktet werden soll.

Es kommt sicher auch ein Stück weit auf den Zuhörer und die Materie an, welche Bedeutung dem Einsatz von Storytelling zukommt. Ich selbst bewege mich stark in den Bereichen ‚Enterprise Architecture‘ und ‚Business Architecture‘. Hier hat man es mit für manch einen Stakeholder abstrakt erscheinenden Themen, facettenreichen Inhalten und einer Vielfalt von Partikularinteressen zu tun. Da ist der Einsatz von Storytelling besonders gewinnbringend.

Okay, ich möchte meine Botschaften in eine kleine Geschichte verpacken. Was macht eine gute Business Story aus?

Zunächst einmal natürlich eine gewisse Struktur. Das alleine jedoch macht noch keine Geschichte aus. Es braucht eine klar erkennbare Handlung – mit Akteuren, Schauplätzen und vor allem einer Reihe von Ereignissen. Es darf durchaus auch Überraschungsmomente und Wendungen geben, durch die eine kleine Spannungskurve entsteht. Wichtig ist, dass die Dinge stimmig ineinandergreifen und sich für den Zuhörer ein roter Faden ergibt, dem er problemlos folgen kann.

Das führt uns zu einem weiteren Punkt: Eine gute Geschichte ist zuhörergerecht gestaltet.

Beispielsweise lassen sich Analogien und Metaphern nutzen, um den Zuhörer auch bei Themen, die für ihn eher fremd sind, mitzunehmen und die geplanten Botschaften zu transportieren. Mitunter kann es auch bedeuten, dass man Variationen einer Geschichte für unterschiedliche Zuhörergruppen entwickelt.


Wichtig ist, dass die Dinge stimmig ineinandergreifen und sich für den Zuhörer ein roter Faden ergibt, dem er problemlos folgen kann.


Das Eine ist der Inhalt, das Andere die Art des Geschichtenerzählens. Wie sollte ich meine Business Story an den Kunden bringen?

Das lässt sich auf verschiedene Weisen ausgestalten. Die Erzählung lässt sich z.B. visuell bzw. bildlich begleiten. Das heißt nicht, dass das in einer ‚Folienschlacht‘ ausarten sollte. Im Gegenteil – weniger ist da in der Regel mehr. Wichtiger ist: Eine überzeugende Story lebt in nicht unerheblichem Maße von Emotionen. Entscheidend ist also, diese durch den eigenen Auftritt auch zu transportieren. Wie auch bei den Inhalten gilt: Die Präsentation sollte auf den Zuhörer zugeschnitten sein.

In der Bedeutung nicht zu unterschätzen ist zudem der Einstieg in die Erzählung. Für den Zuhörer sollte gleich zu Beginn klar werden, inwiefern die Geschichte für ihn relevant sein wird.

Noch bessere Voraussetzungen sind geschaffen, wenn der Zuhörer sich mit dem Erzähler identifizieren kann. Zumindest sollte die Bereitschaft vorhanden sein, sich wirklich auf die Erzählung einzulassen. Gerade bei einem skeptischen Publikum muss man möglicherweise zunächst das Eis brechen. Das kann z.B. durch eine kleine Anekdote aus dem eigenen Leben gelingen. Oder aber durch etwas Selbstironie. Ich selbst habe mich z.B. mal in einem Vortrag zum Einsatz und Nutzen einer Modellierungssprache mit einem kleinen Diagramm in eben dieser Sprache vorgestellt. Das hat durchaus für Erheiterung gesorgt und eine positive Grundstimmung für die dann folgende Story geschaffen.

Inzwischen macht mir der Online-Händler Amazon für ‚Story Telling‘ über 30.000 Produktvorschläge. Mit welchem Buch sollte ich mich in das Thema einlesen?

Literatur gibt es in der Tat eine ganze Menge. Empfehlenswert finde ich z.B. das Buch ‚Putting Stories to Work‘, da es aus einer sehr persönlichen Perspektive geschrieben ist und mit eigenen Erlebnissen und vielen kleinen Beispiel gespickt ist, die die Wirkung des Storytellings veranschaulichen.

Daneben gibt es diverse Werke, die eher den Charakter eines Lehrbuchs haben und den Leser somit stärker methodisch anleiten. Als praxisorientiertes und sehr anschaulich gestaltetes Werk sticht da für mich ‚Stories that Move Mountains – Storytelling and Visual Design for Persuasive Presentations‘ positiv heraus.

Themenwechsel: 2020 hast Du Dein eigenes Beratungsunternehmen ACROSS & AHEAD aufgebaut. Welche drei Tipps kannst Du (potentiellen) Consulting Gründern mitgeben?

Der Begriff ‚Purpose‘ ist ja heute en vogue, und in seiner Essenz aus meiner Sicht auch völlig zurecht. Meine Empfehlung: Unbedingt klar herausarbeiten, was man bewirken möchte und wofür man steht, und sein Handeln dann auch konsequent danach ausrichten bzw. bei herausfordernden Entscheidungen darauf zurückbesinnen.

Damit verbunden ist dann ein zweiter Punkt: ein klarer Fokus, was das Leistungsangebot und die unternehmerischen Aktivitäten angeht. Dafür gilt es u.a., für sich folgende Frage ehrlich zu beantworten: „Was können wir besonders gut, und wo sind wir weniger gut aufgestellt?“

Der dritte Punkt: immer offen sein und bleiben. Offen für Veränderungen – auch als Berater ist man vor dem Wandel der Zeit nicht gefeit. Offen für andere Perspektiven – über den eigenen Horizont zu schauen, lohnt sich immer wieder. Offen für Partnerschaften – etwaige Berührungsängste sind fehl am Platz, es braucht heute in der Regel ein starkes Netzwerk.


Offen für Veränderungen – auch als Berater ist man vor dem Wandel der Zeit nicht gefeit.


Das Jahr ist noch jung. Was sollte ich als Beratungsinhaber und Consultant in 2021 unbedingt tun?

Zum einen aus der für alle sehr herausfordernden Zeit seit Beginn des vergangenen Jahres lernen und versuchen, die richtigen Schlüsse aus den gewonnenen Erfahrungen zu ziehen. ‚Remote Consulting‘ wird wohl auch in Zukunft ein Thema bleiben. Zum anderen einen Blick in die Zukunft wagen und sich entsprechend auf die Zeit vorbereiten, wenn wir die Pandemie im Griff und bestenfalls überwunden haben.

Du hast es geschafft. Herzlichen Dank für Deine Zeit und das geteilte Wissen.
Eine gute Woche, Christopher

Das Interview mit Daniel Simon führte Christopher Schulz per E-Mail am 10. Februar 2021.


Zur Person Dr. Daniel Simon

Dr. Daniel Simon ist Gründer und Geschäftsführer der ACROSS & AHEAD Advisory GmbH. Organisationen auf ihren Design- und Transformationswegen zu begleiten und Orientierungshilfe zu leisten, darin liegt seine Passion. Er ist seit vielen Jahren als Berater und Trainer schwerpunktmäßig in den Bereichen „Enterprise Architecture“ und „Business Architecture“ tätig. „Storytelling“ hat sich in diesem Zusammenhang zu einem seiner Fokusthemen entwickelt.

Seine Promotion erlangte Daniel Simon an der Universität zu Köln. Er ist (Co-)Autor diverser Publikationen in den zuvor genannten Themenbereichen. Zudem hält er regelmäßig Vorträge bei Konferenzen und Veranstaltungen. Er twittert unter @dsimoncgn.



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