Aktives Zuhören
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Aktives Zuhören – mit 12 Zuhörtechniken zum perfekten Gesprächspartner werden

Im Bewerbungstermin und in Jahresgesprächen tust Du es. Bei Interviews und Meetings ebenfalls. In Telekonferenzen und Videositzungen sowieso. Das Zuhören. Seit Kindesalter hörst Du Deinen Mitmenschen zu. Doch ist Zuhören nicht Aktives Zuhören. Alles, um beruflich wie privat zum perfekten Gesprächspartner zu werden.


Begriffsklärung

Reden ist silber, schweigen ist Gold. Die Wikipedia definiert den Begriff ‚Aktives Zuhören‘ wie folgt:

Unter aktivem Zuhören wird in der interpersonellen Kommunikation die gefühlsbetonte (affektive) Reaktion eines Gesprächspartners auf die Botschaft eines Sprechers verstanden.

Wikipedia, Stand 05/2020

Im Kern steht also eine bewusste, gefühlsbezogene Rückmeldung bei einer Interaktion zwischen Menschen. Diese kann verbal und non-verbal erfolgen.

Für mich ist Aktives Zuhören noch etwas mehr als eine Technik. Ich sehe darin eine Grundhaltung in Gesprächen. Mit der Technik zolle ich meinem Gegenüber Achtung und Respekt und baue gleichzeitig Vertrauen auf.


Aktives Zuhören sendet Signale.

Hörst Du in einem Gespräch aktiv zu, vermittelst Du dem Gegenüber…

Interesse

Ich interessiere mich für das, was Du zu sagen hast.

Respekt

Ich akzeptiere Deine Aussagen und nehme Dich ernst.

Beteiligung

Ich möchte genau verstehen, was Du sagst.

Als aktiver Zuhörer spiegelst Du den ‚Eindruck vom Ausdruck‘ Deines Gegenübers. Du bestätigst und verstärkst den Sender während seiner Sprechphase.


Vorteile & Stärken

Doch was nützt Dir Aktives Zuhören? Eine ganze Menge! Nachfolgend die Vorteile eines aktiven Lauschens, sowohl im professionellen als auch privaten Umfeld.

  • Zeitgewinn: Fragen stellen, Fakten zusammenfassen, Worte wiederholen – Aktives Zuhören verschafft Dir wertvolle Zeit. Zeit die Du zur Formulierung einer Frage, zum Merken der empfangenen Fakten oder schlicht zum Reflektieren des Gesagten verwenden kannst.
  • Beziehungsvertiefung: Menschen mögen es, wenn ihnen zugehört wird. Sobald Du als Zuhörer Deine Anteilnahme und Wertschätzung durch aktive Rückmeldungen bekundest, baut der Sprecher zu Dir eine Vertrauensbeziehung auf.
  • Aufmerksamkeitssteigerung: Aktives Zuhören zwingt Dich wach zu bleiben. Hellwach. Während der Konversation bist Du auf Empfangsmodus – 100 Prozent. Jeden Fakt, jeden Zusammenhang, jede Besonderheit nimmst Du auf und speicherst diese ab.
  • Wissenserwerb: Aktives Zuhören löst Sprechimpulse aus. Deine wertschätzende Teilnahme motiviert den Gesprächspartner sich zu öffnen und Detailinfos mit Dir zu teilen. Fakten, Meinungen und Vermutungen, die Du beim normalen Zuhören vielleicht nie erhalten hättest, werden plötzlich artikuliert.
  • Fehlerreduktion: Im täglichen Tun beruhen viele Fehler auf Missverständnissen und Falschinterpretationen. Diese reduzierst Du, indem ganz genau hinhörst und mehrdeutige, oberflächliche oder unzureichende Aussagen hinterfragst bzw. das Gesagte mit Deinen eigenen Worten wiederholst und zur Diskussion stellst.

Dem gegenüber steht ein Nachteil. Aktives Zuhören zieht deutlich mehr Energie als normales Zuhören! Nichts umsonst enthält die Wortgruppe den Begriff ‚aktiv‘. Neben dem Inhalt konzentrierst Du Dich auf Deinen Gesprächspartner und Eure zwischenmenschliche Interaktionen. Diese Intensität auf Sach- und Beziehungsebene kostet Kraft.

Die gute Nachricht: Wie beim Sport gilt – je häufiger Du trainierst, desto stärker wächst Dein verfügbares Reservoir zum Aktiven Zuhören.


Niemand würde viel in Gesellschaften sprechen,
wenn er sich bewusst wäre, wie oft er die anderen missversteht.

– Johann Wolfgang von Goethe, deutscher Dichter


Techniken

Aktiv Zuhören kannst Du mit Hilfe verbaler und non-verbaler Techniken. Nicht jede Technik funktioniert bei jedem Gesprächspartner gleich gut. Den einen stören Deine Notizen, der andere ist irritierte von Deinen vielen Pausen. Experimentiere und verbessere von Gespräch zu Gespräch Deine Fähigkeiten.

#1: Perspektive wechseln

Versetze Dich in die Perspektive Deines Gesprächspartners. Fühle Dich ein.

  • In welcher Situation steckt Dein Gegenüber?
  • Was treibt ihn?
  • Mit welchen Augen sieht er die Welt?

Aktives Zuhören startet immer vor dem Gespräch.

#2: Störquellen ausschalten

Identifiziere und eliminiere alle Störfaktoren im Vorfeld Eures Gespräches.

  • ein klingelndes Handy
  • laute Umgebungsgeräusche
  • ein kippelnder Tisch

Die Basis guten Aktiven Zuhörens ist 100-prozentige Konzentration.

#3: Grundhaltung einnehmen

Gehe mit einer positiven Einstellung oder zumindest unvoreingenommen in ein Gespräch. Schon während…

  • des ersten Blickkontakts,
  • den ersten Diskussionssekunden,
  • den ersten Fragen

merkt Dein Gegenüber, ob Du Interesse an ihm und seine Themen hast. Auch wenn dies bei manchen Menschen schwer fällt – beim Aktiven Zuhören wendest Du Dich voll und ganz dem Gesprächspartner zu.

#4: Präsens zeigen

Agiere im hier und jetzt, sobald Du mit einer Person sprichst.

  • kein paralleles Laptop-Geklapper
  • kein Smartphone-Gewische
  • kein Nebengespräch-Geführe

Du bist präsent, zu 100 Prozent für das Gespräch und Dein Gegenüber da. Zuhören ist nicht Hören und auch nicht Hinhören. Daher: kein Multitasking beim Zuhören. Niemals.

#5: Zuhören forcieren

Lasse Dein Gegenüber sprechen, seine Sätze ausformulieren und seinen Gedanken Raum einnehmen.

  • Du kennst die besprochenen Themen bereits?
  • Problem und Lösung sind Dir bekannt?
  • Im Gespräch erfährst Du nichts Neues?

Aktives Zuhören – jetzt erst recht! Weniger die Inhalte, sondern die Art wie gesprochen zählen. Du möchtest verstehen, nicht antworten. Halte die Pausen und das Stillsein aus.

#6: Fragen stellen

Stelle kurze – möglichst offene – Fragen bzgl. des Gesagtem, dem Kontext bzw. der Intention. Halte damit Euer Gespräch am Laufen. Eine kleine Auswahl von Fragearten.

  • Informationsfrage („Worin liegt das Problem?“)
  • Meinungsfragen („Was halten Sie von der Lösung?“)
  • Gefühlsfrage („Wie geht es Ihnen mit diesem Ansatz?“)

Die Aussagen Deiner Worte sind Dir bekannt. Die Deines Gesprächspartners nicht. Beachte: Steht die Frage im Raum, bleibst Du weiter aktiv am Ball. Wer Fragen stellt, muss auch zuhören können.

#7: Gesprächspartner würdigen

Rücke Deinen Gesprächspartner ins Zentrum und ernenne ihn zum Star. Es geht um…

  • seine Themen,
  • seine Meinung und
  • ihn als Person.

Was zählt ist Dein Gesprächspartner. Ausschließlich. Er hat was zu sagen, eine Ansage zu machen, Eure Gesprächsthemen zu bestimmen. Konzentriere Dich auf ihn und nimm Dich selbst zurück.

#8: Körpersprache einsetzen

Setze beim Aktiven Zuhören ebenfalls auf die non-verbalen Aufmerksamkeitsreaktionen Deines Körpers.

  • Nicke mit dem Kopf zu den Aussagen des Gesprächspartners.
  • Halte Blickkontakt.
  • Wende Oberkörper bzw. Kopf in die Richtung des Gegenübers.
  • Sitze kerzengerade, gerne auf der Stuhlkante.
  • Klebe an den Lippen.

Aktives Zuhören steht für aktive Mimik, aktive Gestik und aktive Körperhaltung.

#9: Körpersprache lesen

Nutze das Sprechen Deines Gegenübers für das Lesen seiner Körpersprache.

  • Wo sind seine Augen beim Reden?
  • Verändert sich seine Haltung beim Themenwechsel?
  • Was sagt dies über die dahinter liegenden Motive, Meinungen und Ziele aus?

Lese zwischen den Zeilen mit Hilfe Deines Einfühlungsvermögens. Hake nach, falls die sprachliche Botschaft nicht mit den körpersprachlichen Signalen übereinstimmt.

#10: Gesagtes bestätigen

Setze zudem auf die verbalen Zuhöhrbekundungen. Das heißt die Aussagen Deines Gesprächspartners…

  • mit eigenen Worten wertfrei paraphrasieren („Mit anderen Worten:…“)
  • 1:1 wiederholen („Habe ich den Kern Deiner Aussage richtig verstanden…“)
  • auf Basis des Gesprächs, dem Befragten, Deiner Erfahrung etc. weiterführen („…und dann haben Sie gesehen, dass das Zug bereits abgefahren ist.“„Ja genau!“)
  • vermutete Gefühle verbalisieren („Das hat Sie sicherlich gestresst.“)
  • prägnant zusammenfassen („Ich möchte zusammenfassen, was ich verstanden habe…Stimmt das soweit?“)
  • offen und ehrlich zustimmen („Sehe ich ebenfalls so.“)

Das Extra-Sahnehäubchen dieser Spiegel-Techniken: Du nennst Dein Gegenüber bei seinem Namen. Hingegen vermeidest Du seine Aussagen zu werten. Das verunsichert nur, drängt Dein Gegenüber zurück und verschließt ihn.

#11: Notizen anfertigen

Kündige zu Beginn eines Dialogs an, dass Du die besprochenen Inhalte gerne in Stichpunkten festhalten möchtest. Dein Vorschlag…

  • zeigt Interesse am Thema,
  • signalisiert dem Gesprächspartner Respekt und
  • verschafft Dir eine Mitschrift des Gesagten.

In 99 Prozent aller Fälle stimmt Dein Gesprächspartner Deinem Vorgehen zu. Mitschreiben zwingt zum Aktiven Zuhören. Schon das Kritzeln eines Stiftes zeugt von Anteilnahme. Option: Halte bei persönlichen Notizen neben der inhaltlichen (das ‚Was‘) auch die emotionale Ebene (das ‚Wie‘) fest.

#12: Pausen einlegen

Setze nicht sofort zu einer Entgegnung oder nächsten Frage an, sondern pausiere. Eine Pause erfüllt drei Funktionen.

  • Pausen würdigen den Gesprächspartner und das Gesagte.
  • Pausen geben Gelegenheit nachzudenken, ob noch etwas hinzugefügt werden sollte.
  • Pausen betonen die Relevanz einer Aussage.

Dein Gegenüber spricht, Du lässt ihn ausreden, pausierst und hältst die Stille einen Augenblick aus. Ganz einfach.


Solange man selbst redet, erfährt man nichts.

– Marie Freifrau Ebner von Eschenbach, mährisch-österreichische Schriftstellerin


Ursprung

Erstmals beschrieb der US-Amerikaner Carl Ransom Rogers die Technik des Aktiven Zuhörens als Werkzeug für die Klientenzentrierte Psychotherapie. In therapeutischen Sitzungen ging Rogers  auf die Gefühle seines Gegenübers ein, indem er aktiv zuhörte und die geäußerten Gefühle in Worte fasste. Diese partizipative Form stand im Gegensatz zum bisher üblichen direktiven Dialog in dem ein Therapeut den Patienten durch Fragen bzw. Aussagen in eine bestimmte Richtung lenkt. Von Carl Rogers stammen auch die vier Stufen des Hörens

1. Wahrnehmen & erkennen

Hören und sehen der Aussage bzw. Körpersprache.

2. Zuordnen

Interpretieren auf Basis des eigenen Wissens, Erfahrung und kulturellen Umfelds.

3. Abwägen & beurteilen

Bewerten auf Basis des eigenen Wissens, Erfahrung und kulturellen Umfelds.

4. Antworten

Antworten (bzw. Nicht-Antworten) durch Aussagen und Körpersprachen.

In den Sitzungstherapien sorgt das Aktive Zuhören für ein Vertrauensverhältnis. Und da Vertrauen nicht nur in therapeutischen Umfeld eine große Rolle spielt, fand die Technik Eingang in weitere wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Felder.


Aktives Zuhören...

Ergebnisse

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Praxisübung

Dem Gesprächspartner lauschen, regelmäßig mit dem Kopf nicken und ab und zu die Aussage mit einem ‚Ja‘ oder kurzen Grunzlaut quittieren. Reicht das? Nicht, wenn Du nicht nur gut, sondern exzellent aktiv zuhören möchtest!

Zum Abschluss eine kleine Hausaufgabe.

  1. Ist-Analyse: Stoppe bei den nächsten Gespräch mit einer Persona einmal gedanklich die Zeit. Wie viel sprichst Du? Wie viel hörst Du zu?
  2. Soll-Bestimmung: Lege im nächsten Dialog den Hebel um. Du sprichst maximal 40 Prozent der verfügbaren Zeit. Die verbleibenden 60 Prozent bist Du im Modus ‚Aktives Zuhören‘.
  3. Umsetzung: Prüfe nach. Wie gut gelingt Dir das? Optimiere. Gespräch für Gespräch.

Gerne Anwendung im privaten oder beruflichen Umfeld. Gibt es Unterschiede?


Buchtipps

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2 Kommentare

  1. Meine Schwester ist in der Unternehmensberatung tätig. Dass aktives Zuhören tatsächlich so wichtig ist, ist gut zu wissen! Man gewinnt Zeit und reduziert Fehler! Guter Tipp – Danke!

    1. Hallo Tobias,
      danke für Deinen positiven Kommentar. Zurücknehmen. Nicht im Vordergrund stehen wollen. 30% Redeanteil maximal. Berater schalten oft und gerne in den Erzählmodus.

      Beste Grüße,

      Christopher

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