Case Interview – Hintergründe, Vorgehen, Tipps und Frameworks
Sie heißen Consulting Case, Berater-Fallstudie oder Case Interview: unternehmerische Problemstellungen die Dir als Jobkandidat im Bewerbungsgespräch vorgelegt werden. Im Beitrag Consulting Cases – wichtige Grundlagen und Strategien bin ich bereits auf wichtige Basics eingegangen. In diesem Beitrag führe ich nun das Thema einen Schritt weiter und verrate Dir anhand von drei weiteren Frage-Antwortpaaren nützliche Tipps & Tricks rund ums Lösen dieses Aufgabentyps.
Weshalb sind Case Interviews bei Personalern so beliebt?
Um diese Frage zu beantworten versetzen wir uns am besten in die Rolle eines Personalreferenten. Für die Verwendung von Consulting Cases im Interview sprechen aus dessen Sicht mehrere Gründe:
Vorbereitungszeit
Case Interview nebst Musterlösung schlummern gut präpariert in der Schublade, die Vorbereitungszeit konvergiert für den Personaler somit gegen Null. Zudem führt diszipliniertes Sammeln über die Jahre zu einem großen Aufgabenfundus der sich durch leichte textuelle Variation einfach vervielfältigen lässt.
Planbarkeit
Mit ihrem zeitlich festen Rahmen von mindestens 15 Minuten eignen sich Cases optimal für das streng durchgetaktete Jobinterview. Bleibt im Termin noch etwas Zeit, kann diese mit einer Fallstudie sinnvoll aufgefüllt werden.
Perspektivenvielfalt
Ein Case Interview deckt eine Menge von Bewerberfähigkeiten ab, statt sich nur auf singuläre Aspekte des Kandidaten zu fokussieren. Analytik, Kreativität, mathematische Kenntnisse werden ebenso geprüft wie ein strukturiertes und hartnäckiges Vorgehen sowie die Fähigkeit zum Präsentieren.
Vergleichbarkeit
Vorgehen und Ergebnisse zwischen Bewerbern lassen sich perfekt vergleichen. Jeder Kandidat ist mit den identischen Aufgaben bei gleichen Rahmenbedingungen konfrontiert. In der Regel ist kein besonderes Fachwissen erforderlich.
Überraschungsmoment
Ein Case Interview kannst Du nicht auswendig lernen, sondern nur üben. Somit ist diese Aufgabengattung prädestiniert dafür, Bewerber in eine ungewohnte Lage abseits der einstudierten Komfortzone zu versetzen. In dieser unbekannten und stresslastigen Situation offenbaren sich die wahren Charaktereigenschaften des Jobaspiranten.
Personaler wissen die Vorteile eines Cases zu schätzen. Das Wissen über Aufgabe und Lösung gibt ihnen Gelegenheit, sich fast ausschließlich auf den Bewerber und dessen Verhalten zu konzentrieren.
Wie sollte ich bei einem Case Interview vorgehen?
Generell gilt beim Lösen eines Consulting Cases in einem Interview: Der Weg ist Dein Ziel. Unlösbare Aufgaben gibt es nicht. Damit greift der Case bereits während der Bewerbung Deine anstehende Projektarbeit als Wissensarbeiter vorweg. Aus meiner Erfahrung zerfällt die Lösung eines Cases in fünf Teile:
1. Vorbereitung – 80 Prozent Deines Erfolgs stecken in der Vorbereitung.
2. Problemdefinition – Nur wer das Problem versteht, kann ein passgenaue Lösung liefern.
3. Lösungsdesign – Zug um Zug zur Lösung der Fallstudie.
4. Ergebnispräsentation – Der Moment der Wahrheit: Kommunikation und Verteidigung Deiner Lösung.
5. Frameworks – Dein Tool als erprobter Case-Cracker. Nicht Pflicht aber eine gute Absicherung.
Später im Blog werde ich auf die einzelnen Teile detailliert eingehen.
Welche generellen Tipps gelten für das Lösen von Case Interviews?
Dein Ergebnis und (insbesondere) Vorgehen in einem Consulting Case verraten einem Personaler eine Menge über Dich und Deine Eignung für die vakante Position. Nachfolgend 10 goldenen Tipps für die Absolvierung eines Case Interviews.
Tipp 1 – Übung macht den Meister
Nutze die im Web und Literatur verfügbaren Cases um Dich mit den verschiedenen Kategorien von Aufgaben und Lösungsansätzen vertraut zu machen.
Tipp 2 – Im Geiste des zukünftigen Arbeitgebers
Mache Dich vor dem Bewerbungstermin mit der Philosophie Deines potentiellen Arbeitgebers (und somit des Personalers) vertraut. Deine Herangehensweise beim Cases sollte den Geist des Unternehmens reflektieren.
Tipp 3 – Aktiv von Minute 1
Ergreife ab der ersten Bearbeitungsminute die Initiative und führe den anwesenden Personaler souverän durch Deine Case Study. Lasse dabei aber bitte genügend Luft zum reflektieren und beobachten. Lese in den Ausrufen und der Körpersprache des Interviewers.
Tipp 4 – Zettel und Stift
Sei altmodisch und setze Zettel und Stift ein. Mit diesen kannst Du Fakten festhalten, Zusammenhänge visualisieren und mathematische Berechnungen anstellen. So hältst Du Kapazität für den Lösungsweg frei.
Tipp 5 – Reduktion aufs Wesentliche
Einige Fallstudien nutzen Metaphern und blumige Umschreibungen um Dich vom Kern des Problems abzulenken. Trenne die Spreu vom Weizen und fokussiere Dich auf die wesentlichen Fakten.
Tipp 6 – Bekanntes suchen
Wann immer möglich bilde die beschriebenen Probleme auf die Dir bekannten Frameworks und Modelle ab (z.B. Dreisatz, Porter’s Five Forces, SWOT Aanalyse). Nutze dann die damit verbundenen Lösungsmethoden für Deinen Consulting Case.
Tipp 7 – Gemeinsam mit dem Personaler
Überlege Dir, was die Erwartungshaltung des Personalers sein könnte, wenn er Dir genau diesen Consulting Case vorsetzt. Ziehe den Personaler beim Vorgehen von Anfang bis Ende mit ein. Offen, freundlich und bestimmt im direkten Dialog mit dem Case Partner.
Tipp 8 – Gut schlägt perfekt
Bitte bedenke, dass in den meisten Fällen die vorgegebene Zeit auch bei einer optimalen Bearbeitung des Cases nicht ausreichen wird. Ab dieser Minute solltest Du (zumindest für das Case Interview) dem Hang zum Perfektionismus über Bord werfen und dem großen Ganzen (statt dem Detail) den Vorzug gewähren.
Tipp 9 – Ehrlichkeit währt am längsten
Solltest Du einmal keine Antwort auf eine Frage haben oder partout nicht weiterkommen ist das kein Beinbruch. Stehe zu dieser Situation. Zeige Alternativen auf wie Du weiter vorgehen würdest und was Dir für den nächsten Schritt fehlt.
Tipp 10 – Allzweckwaffe Kreativität
Wenn gar nichts mehr anderes geht: löse Dich von den Fakten und denke quer. Nur die Hälfte der Kreativität von MacGyver ist für die meisten Case Interviews ausreichend 😉
Welche Frameworks helfen bei der Lösung?
Consulting Case Frameworks sind ökonomische Konzepte, die Dich im Bewerbungsgespräch beim Lösen einer Fallstudie unterstützen. Als bewährte Vorgehensmodelle erleichtern Sie Dir die Strukturierung, Bearbeitung und Präsentation Deines Cases.
3C
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse des Marktes oder der Branche indem es diese in Customer (Kunde), Competition (Wettbewerb) und Company (Unternehmen) untergliedert.
4C
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse des Kerngeschäfts eines Unternehmens indem es diese in Customer (Kunde), Competition (Wettbewerb), Capabilities (Fähigkeiten) und Costs (Kosten) untergliedert.
4P
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse wesentlicher Einflussmöglichkeiten bei der Marktpositionierung und Vermarktung eines Produktes indem es diese in Product (Produkt), Price (Preis), Place (Vertrieb) und Promotion (Werbung) untergliedert.
ABC Analyse
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse der Attraktivität von Objekten (z.B. Kunden, Produkte, Dienstleistungen) indem es diese in die mit absteigender Bedeutung angeordneten Klassen A, B und C einteilt.
Angebot & Nachfrage
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse der Einflussmöglichkeiten eines Unternehmens auf das Marktgleichgewicht indem es zwischen Angebots- (z.B. Konkurrenzunternehmen, Fortschritte, Preisänderungen) und Nachfrageänderungen (z.B. umweltpolitische Einflüsse, Wirtschaftskraft, soziale Entwicklungen) untergliedert.
Business Model Canvas
Das Framework unterstützt Dich bei der Entwicklung und Analyse des Geschäftsmodells eines Unternehmens indem es dieses in Customer Segments (Kundengruppen), Channels (Kanäle), Customer Relationships (Kundenbeziehungen), Value Propositions (Leistungsversprechen), Key Resources (Schlüsselressourcen)), Key Activities (Schlüsselaktivitäten), Key Partners (Schlüsselpartner), Cost Structure (Kosten) und Revenue Streams (Einnahmen) untergliedert.
BCG Matrix
Das von der Boston Consulting Group entwickelte Framework unterstützt Dich beim Clustern, Vergleichen und Bewerten des Produktportfolios eines Unternehmens indem es dieses in Cash Cows (Goldesel), Stars (Sterne), Question Marks (Fragezeichen) und Poor Dogs (Arme Hunde) untergliedert.
Chancen & Risiken
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse von Argumenten für bzw. gegen eine Unternehmensentscheidung indem es diese in Chancen (z.B. Erweiterung des Kundenstamms, Erschließen eines neuen Marktes) und Risiken (z.B. Abhängigkeit von einem Lieferanten, negative Währungseffekte) untergliedert.
Fünf-Kräfte-Modell (Porter’s Five Forces)
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse der Attraktivität und den Potentialen von Märkten und Branchen indem es diese in Verhandlungsmacht der Lieferanten und Kunden, die Bedrohung durch neue Wettwerber und Ersatzprodukte sowie die Wettbewerbsintensität in der Branche untergliedert.
Fixkosten & Variable Kosten
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse von Unternehmenskosten indem es diese in regelmäßig wiederkehrende und vom Absatz unabhängige Fixkosten (z.B. Stromkosten, Mietkosten) sowie die von der Ausbringungsmenge abhängigen variablen Kosten (z.B. Produktionskosten, Vertriebskosten) untergliedert.
Gewinngleichung
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse der Preispolitik, dem Absatz und der Kostenstrukturen im Unternehmen. Die zugrundeliegende Gleichung ist Gewinn = Erlös – Kosten, wobei der Gewinn alle Arten von Einnahmen, die Kosten alle Arten von Ausgaben bezeichnen. Oft wird die Form Gewinn = (Menge*Stückpreis) – (Fixkosten + variable Kosten) verwendet.
Gewinnschwellen Analyse (Break Even)
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse ab welchem Zeitpunkt oder ab welcher Verkaufsstückzahl ein Unternehmen Gewinne erwirtschaftet indem fixe und variable Kosten dem Gewinn entsprechen.
Interne & externe Faktoren
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse von auf ein Unternehmen einwirkende Einflussfaktoren indem es diese in intern (z.B. Hohe Mitarbeiterfluktuation, veraltetes Produktportfolio) und extern (z.B. neue Wettbewerber, veränderte Kundenerwartung) untergliedert.
Kosten & Nutzen
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse von Argumenten für bzw. gegen eine Unternehmensentscheidung indem es diese in Kosten (z.B. Entwicklung, Marketing) und Nutzen (z.B. Umsatzwachstum, Kostenreduktion) untergliedert.
Logikbäume
Das Framework unterstützt Dich bei der hierarchischen top-down Zerlegung komplexer Probleme in überschneidungsfreie und inhaltlich vollständige Teileinheiten.
PESTEL
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse äußerer Einflussfaktoren auf ein Unternehmen indem es diese in Political (Politisch), Economical (Wirtschaftlich), Social (Sozial), Technological (Technologisch), Environmental (ökologisch) und Legal (Rechtlich) untergliedert.
SWOT Analyse
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse einer Unternehmenssituation indem es diese in Strengths (Stärken) und Weaknesses (Schwächen) des Unternehmens sowie in Opportunities (Möglichkeiten) und Threats (Bedrohungen) des Umfelds untergliedert sowie diese in Beziehung setzt.
Szenarientechnik
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse von möglichen wirtschaftlichen Entwicklungen und ihren Zusammenhängen indem dazu alternative zukünftige Zustände sowie Wege zu diesen Zuständen betrachtet werden.
Wertnetz
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse der Attraktivität und der Potentiale von Märkten und Branchen indem es diese in Customers (Kunden), Suppliers (Lieferanten), Substitutors (Wettbewerber) und Complementors (Ergänzungen) untergliedert.
Wertschöpfungskette (Wertkette, Value Chain)
Das Framework unterstützt Dich bei der Analyse von wertschöpfenden Unternehmensprozessen (z.B. Einkauf, Produktion, Verkauf) indem es diese in direkte Aktivitäten (z.B. Montage, Außendienst), indirekte Aktivitäten (z.B. Instandhaltung, Terminplanung) und Qualitätssicherung (z.B. Tests, Prüfungen) untergliedert.
Fazit
Keine Panik vor einem Case Interview. Mit Vorbereitung, einem kühlen Kopf sowie einem systematischen Vorgehen knackst Du 9 von 10 Fallstudien mit Bravour.
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