Systemische Fragen

Systemische Fragen – Festgefahrene Expertengespräche wieder in Gang bringen

Dein Beratungsauftrag: Informationsgewinnung mittels einer Interviewserie. Dein Problem: Viele der Interviewpartner sind von der aktuellen Situation irritiert, wollen oder können ihr Wissen nicht an einen externen Consultant wie Dir weitergeben. Ein Lösungsweg: Systemische Fragen. Mit diesen motivierst Du ein Gesprächspartner Ideen und Wissen zu generieren und mit Dir zu teilen. Was Systemisches Fragen ist und wie Du den Fragetyp in Beratungsprojekten wirkungsvoll anwendest, erfährst Du im Consulting Blogbeitrag.


Systemisches Fragen – Ideenfragen einmal anders stellen

Ob Experteninterview, Abteilungs-Workshop oder Fachbereichs-Abfrage – nutze Systemische Fragen, sobald ein Gesprächspartner sein Wissen nicht teilen kann oder will bzw. Euer Gespräch mittels abfragender Fragetechniken nicht weiterkommt. Durch Systemisches Fragen zielst Du weniger auf die Informationserfassung als auf die freie Informationsgenerierung und Ideenkreation ab.

Von ihrer Art sind Systemische Fragen unkonventionell und stehen im Widerspruch zum bekannten Projektalltag. Das irritiert viele speziell weniger diskussionsfreudige Gesprächspartner, führt im schlimmsten Fall dazu das diese sich nicht ernst genommen fühlen und die Frage-Antwortrunde abbrechen. Du solltest Systemisches Fragen daher sparsam einflechten und insbesondere am Schluss eines Informationsaustausches zur Anwendung bringen.


Systemische Fragen – 6 Fragearten für die Informationsgenerierung

Nachfolgend die sechs wichtigsten Systemischen Fragearten für den Informationsaustausch. Veranlasse Deinen Gesprächspartner bisher unberücksichtigte Aspekte anzusprechen und neue Gedanken zum Sachverhalt zu äußern.

Frageart 1: Zirkuläre Frage

Beim zirkulären Fragen lässt Du Deinen Gesprächspartner die Situation aus einer anderen Perspektive betrachten. Beispielsweise könnte eine Zirkuläre Frage an ein Teammitglied lauten:

  • „Wie würde der Projektleiter diesen Sachverhalt sehen?“
  • „Haben Sie eine Vermutung wie der Systembetrieb diese Entscheidung aufnehmen würde?“

Für Consultants ist der Perspektivenwechsel ein wichtiges Instrument. Zum Einsatz bringe ich diesen Fragetyp insb. bei der Projektkommunikation. Wirke ich zum Beispiel als PMO, frage ich den Projektleiter, wie ein bestimmter Statusbericht von den verschiedenen Stakeholdern aufgenommen wird und was dieser bei den Empfängern auslöst.

Frageart 2: Skalierungsfrage

Mittels einer Skalierungsfrage veranlasst Du Deinen Gesprächspartner die Antwort anhand einer quantitativen Skala abzugeben. Wichtiger ist weniger der genau Wert, sondern die durch Folgefragen qualitative gewonnene Information. So könntest Du Dich zum Beispiel mittels Skalierungsfrage und Folgefragen an Projektleiter wenden:

  • „Wie schätzt Du den Projektstatus auf einer Skala von 0 (tief rot) bis 10 (dunkel grün) ein?“
  • „Was müsste geschehen, um diesen Wert positiv zu ändern?“

Skalierungsfragen eignen sich prima um die Komplexität eines verzwickten Sachverhalts zeitweise zu reduzieren. Durch das Festlegen lassen, muss Dein Gesprächspartner Flagge bekennen. Ich nutze den Fragetyp bei Bewertungen der Projektsituation, z.B. wenn ich zusammen mit dem Beratungskunden den Statusbericht ausfülle.

Frageart 3: Hypothetische Frage

Mit einer Hypothetischen Fragen lädst Du zum Gedankenexperiment ein. Oft beginnen diese mit den Worten „Was wäre wenn…“, „Stellen Sie sich vor, dass…“ oder „Was würde geschehen, wenn…“. Dein Hauptziel ist es, neue Möglichkeiten anzudenken. Neben der Zukunft, kann diese Frageform auch vergangene und aktuelle Aspekte beleuchten. Zwei Beispiele, erneut als PMO an den Projektleiter:

  • „Was müsste passieren, damit sich unsere Entwicklungsgeschwindigkeit verdoppelt?“
  • „Wie würde der Steuerkreis reagieren, falls wir ihm dieses Projektrisiko präsentieren?“

Als Berater verwende ich Hypothetische Fragen, um mit meinem Kunden verschiedene Szenarien durchzuspielen. Auch hier achte ich auf anschließende Folgefragen die einen eingeschlagenen Diskussionsweg vertiefen. Als Annahmen wähle ich halbwegs realistische Situationen immer je nach Gesprächspartner.

Frageart 4: Lösungsorientierte Frage

Ein verbreitetes Phänomen in Meetings ist die Problemfixierung. Die Teilnehmer beleuchten die Herausforderung aus verschiedenen Blickwinkeln, schmücken diese aus, ohne einer möglichen Lösung einen Schritt näher zu kommen. Abhilfe schafft die Lösungsfrage. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf mögliche Abhilfen und vorhandene Ressourcen. Zwei typische Fragen aus dem Projektmanagementgeschäft:

  • „Wie können wir den Projektstatus rot zurück auf Status grün bekommen?“
  • „Mit welchen Maßnahmen verringern wir unsere Abhängigkeit zum Parallelprojekt?“

Die Lösungsorientierte Frage nutze ich als Consultant sehr oft, schließlich engagiert mich ein Kunde als Problemlöser. Netter Nebeneffekt: Häufig verbreitet die lösungsorientierte Fragen eine positive Grundstimmung. Schließlich geht es darum, sich dem eigenen Handlungsspielraum bewusst zu werden und diesen konstruktiv zu erweitern.

Frageart 5: Paradoxe Frage

Ganz und gar dem Alltagsverständnis entgegengesetzt sind paradoxe Fragen. Bei der Beantwortung einer solchen Frage veranlasst Du Dein Gegenüber bewusst querzudenken, damit alternative und meist unkonventionelle Ansätze zu identifizieren.

  • „Was müsste passieren, um das Projekt noch weiter zu verzögern?“
  • „Was würde im anstehenden Steuerkreis für großes Unverständnis sorgen?

Aufgrund des hohen Irritationspotentials für den Gesprächsteilnehmer setze ich diesen Fragetypus sparsam ein. Im schlechtesten Fall lässt sich Dein Gegenüber nicht auf die Frage ein und blockiert das Gespräch. Ist ein Gespräch festgefahren oder steht kurz vor dem Abschluss, bringe eine Paradoxe Frage ins Spiel. Immerhin gibt es nichts mehr zu verlieren.

Frageart 6: Metaphorische Frage

Wortwörtlich bildgewaltig sind metaphorische Fragen. Mittels diesen fragst Du nach Metaphern oder kreative Beschreibungen für den zu diskutierenden Sachverhalt. Beispielsweise vergleiche ich ein IT-Entwicklungsprojekt gerne mit einem Hausbau, frage dann die Entwickler:

  • „Wenn Sie das IT-System mit einem Hausbau vergleichen, wo stehen wir jetzt genau: beim Keller, Rohbau oder bei der Einrichtung des Hauses?“
  • „Wie viele Baustellen müssen noch geschlossen werden, bevor wir das System dem Fachbereich übergeben können?

Ich überlege mir ganz genau, wem ich eine Metaphorische Frage stelle. Teilweise winken Gesprächspartner ab, da sie das zu betrachtende Thema nicht vergleichen wollen oder können. Gerne nutze ich diesen Fragetyp während Telefongesprächen um zusätzlich zum Audio-Signal ein Bild im Kopf entstehen zu lassen.


Coaching Isack: 11 Systemische Fragetechniken für Beratung, Coaching & Therapie (6min) – Kurzprofil von Systemischen Fragearten

Praxistipps – Besseres Systemisches Fragen im Projektalltag

Nachfolgend generelle Tipps für das Systemische Fragestellen in Beratungsprojekten. Beherzige diese bei jedem der vorgestellten Fragearten.

Tipp 1: Kontext berücksichtigen

Außer Überwindung kostet Fragen nichts. Das heißt nicht, das jede Frage zu jederzeit jedem auch gestellt werden sollte. Frage im Bündel, der Situation und dem Zeitgeist entsprechend.

Tipp 2: Frage mit Voraussicht stellen

Neben der erhaltenen Antwort stößt Du bei Deinem Gesprächspartner mit einer Frage ebenfalls einen Denkprozess und eine Verhaltensreaktion an. Beides solltest Du vor dem Fragestellen antizipieren.

Tipp 3: Klare & verständliche Sprache wählen

Fragen sollen zum Nachdenken anregen und Dein Gegenüber nicht verwirren. Vermeide doppelte Verneinungen, das Verpacken von zwei Fragen in einem Satz, mehrdeutige Begriffe etc.

Tipp 4: Am Gesprächspartner orientieren

Jeder Gesprächspartner ist anders. Adaptiere Deine Fragen auf Dein Gegenüber, die Rolle, Sprache, Ziele, Abneigungen etc.

Tipp 5: Frage positiv formulieren

Herausforderungen gibt es genug. Helle den Alltag Deines Gesprächspartners etwas auf und formuliere Deine Fragen positiv. Achte ebenfalls darauf, lösungsorientiert und konstruktiv zu fragen.

Tipp 6: Geprächspartner ausreden lassen

Auch wenn Deine Frageliste lang und die verbleibende Zeit kurz ist: Lasse Dein Gegenüber ausreden. Bis zum Schluß. So bin ich schon an manche nützliche Infos gelangt die ich beim sofortigen Stellen der nächsten Frage nie bekommen hätte.


Lesetipps – Systemische Fragearten gezielt vertiefen

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Nächster Schritt – Stelle im nächsten Gespräch eine Systemische Frage

Systemische Fragen sind eine facettenreiche Kommunikationstechnik mit der Du abgetretene Pfade verlassen und einem Informationsausstausch neuen Schwung verleihst.

Doch Achtung: Nicht jeder Diskussionsteilnehmer kann mit Systemischen Fragen etwas anfangen, reagiert zurückhaltend oder gar blockierend auf Deine Informationsforderung. Lote aus, ob Dein Gegenüber für die Fragearten empfänglich ist. Ebenfalls empfiehlt es sich, den Fragetypus am Ende eines Gesprächstermins zum Einsatz bringen und beim Stellen die oberen Tipps zu berücksichtigen.

Also: Einfach einmal im nächsten Akquise-, Projekt- und Mitarbeitergespräch austesten. Viel Erfolg!


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