Die Benjamin Franklin Methode – Ja-Nein-Fragen entscheiden
Als Projektleiter, Manager oder Wissensarbeiter bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Wie können wir eine Ja-Nein-Fragestellung rasch entscheiden?
- Welches Werkzeug können wir statt einer rein qualitativen Pro-Contra-Liste nutzen?
- Auf welche Weise können wir Wichtigkeit und Wahrscheinlichkeiten von Aspekten in eine Entscheidung einbeziehen?
Unterstützung findest Du in der Benjamin Franklin Liste und der gleichnamigen Methode.
Ergebnis: gewichtete Vor- und Nachteile für eine geschlossene Entscheidungsfrage erarbeitet
Teilnehmer: mind. 1
Dauer: ab 10 Minuten, je nach Fragestellung (Bearbeitung über längeren Zeitraum ratsam)
Utensilien: Zettel & Stift oder Notebook & Office Software
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Zweck
Die Benjamin Franklin Methode hilft Dir beim Erfassen, Fällen und Nachvollziehen einer Ja-Nein-Entscheidung. Anders als die klassische Pro-Contra-Liste ergänzt Du jedes Argument für bzw. gegen eine Sache um einen quantitativen Wichtungsfaktor. Auf Basis der Summe der Wichtungen entscheidest Du schließlich für Ja oder Nein.
Egal ob im Projektgeschäft oder Linienbetrieb, privat oder beruflich – die Benjamin Franklin Methode strukturiert Deine Beschlussfassung. Geschlossene Entscheidungsfragen werden vereinfacht und beschleunigt.
Synonyme für die Benjamin Franklin Methode sind Benjamin Franklin Liste, Benjamin Franklin Technik oder einfach nur Entscheidung nach Benjamin Franklin.
Aufbau
Benjamin Franklin Methode – „Sollten wir uns für oder gegen eine Sache entscheiden?“
Die Benjamin Franklin Methode ergänzt die klassische Pro-Contra-Liste um jeweils einen Wichtungsfaktor. Grundlage der Methode ist die gleichnamige Benjamin Franklin Liste, manchmal auch als Franklin Liste oder Franklin Matrix bezeichnet.
Fragestellung – „Was wollen wir entscheiden?“
Ganz oben am Kopf notierst Du eine geschlossene Entscheidungsfrage. Formuliere klar und präzise. Die Frage muss sich mit einem ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ beantworten lassen können. Vermeide Negationen. Stelle die Frage zu Gunsten der aus dem initialen Bauchgefühl favorisierten Entscheidung.
Vor- & Nachteile – „Was spricht für oder gegen die Entscheidungsfrage?“
Es folgt die Aufzählung von Vor- und Nachteilen (auch Vorzüge & Defizite, Stärken & Schwächen oder Pros & Cons) nebeneinander in zwei separaten Spalten. Achte hier auf eine kurze, knappe Formulierung. Gut geeignet sind Substantive bzw. Substantivierungen oder Zustandsbeschreibungen. Nutze nachfolgende Fragen, um auf die verschiedenen Vorteile und Nachteile eines Sachverhalts zu stoßen.
- Was haben wir davon?
- Was geben wir auf?
- Worauf freuen wir uns?
- Was bereitet uns Kopfzerbrechen?
- Was ist mittel- bis langfristig positiv?
- Was kann mittel- bis kurzfristig schief gehen?
Bleibe bei den Tatsachen im Präsens. Also nicht Chancen und Risiken wie zusätzlich in der SWOT Analyse, sondern nur die Stärken und Schwächen. Unsicherheiten bringst Du durch einen expliziten Faktor mit ein.
Wichtungsfaktoren – „Wie relevant sind die Punkte und mit welcher Wahrscheinlichkeit treten diese auf?“
Bis jetzt gleicht das Konstrukt einer gewöhnlichen Pro-Contra-Liste. Die Benjamin Franklin Methode sieht jedoch zwei weitere Aspekte vor:
- die Wichtigkeit eines Arguments, beispielsweise auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht wichtig) bis 5 (sehr wichtig)
- die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Argumentes, ebenfalls auf einer Skala von 1 (extrem unwahrscheinlich) bis 5 (sehr sicher)
Das Produkt von Wichtigkeitfaktor und Eintrittswahrscheinlichkeitfaktor ist die Wichtung. Jedes Vor- bzw. Nachteilargument Bewertest Du durch ein Gewicht. Die Summe der Wichtungen definiert schließlich das Gesamtergebnis für ein ‚Ja‘ bzw. ein ‚Nein‘ auf die Frage.
Beachte, dass die Mengen an Vor- und Nachteilen nicht identisch groß sein müssen. So kann es vorkommen, dass Du eine zweistellige Anzahl an Pros, jedoch nur wenige Contras für eine Fragestellung findest.
Anwendung
Die Benjamin Franklin Methode kannst Du allein oder im Team anwenden. Achte bei Gruppenarbeit darauf, dass verschiedene Sichtweisen eingebracht werden und die Pro-Contra-Diskussion mehrdimensional verläuft. Auch muss vorher klargestellt werden, nach welchen Kriterien Wichtigkeiten und Wahrscheinlichkeiten vergeben werden. Gehen wir nachfolgend auf den Solo-Fall ein.
1. Entscheidungsfrage fixieren
Halte zunächst die zu entscheidende Frage fest. Überlege genau:
- Muss wirklich entschieden werden?
- Oder ist der Weg ohnehin bereits klar vorzeichnet und der Status Quo muss geändert werden?
- Was muss genau entschieden werden?
Formuliere die Frage mit Blick auf die aktuelle Präferenz.
2. Vor- und Nachteile sammeln
Ergänze auf Basis der Frage nun die Pro- und Contra Argumente. Nutze Brainstorming, die 6-3-5 Methode oder andere Kreativitätstechniken, sobald Dir keine Argumente mehr einfallen.
Beleuchte die Frage zudem aus verschiedenen Perspektiven.
- Was sind die Vorteile für den Einkauf?
- Wo sieht der Betrieb die Nachteile?
- Welche Argumente bringen die Nutzer ins Feld?
Teilweise sind Argumente Verfeinerung von bestehenden Argumenten bzw. können Argumente verschiedenartig formuliert werden. Konsolidiere daher die Liste der Pros und Cons bevor Du Dich mit der Wichtung beschäftigst.
3. Wichtigkeit, Eintrittswahrscheinlichkeit und Wichtungsfaktor erfassen
Komplettiere anschließend jeden Vor- und Nachteilpunkt mit einer Wichtigkeit sowie einer Eintrittswahrscheinlichkeit und berechne anschließend den Wichtungsfaktor. Keine Angst. Es handelt sich nicht um exakte Wissenschaft. Notiere die Werte, welche Dir zuerst in den Sinn kommen.
4. Liste verkürzen
Streiche solche Pro-Contra-Paare aus der Liste heraus, die in beiden Einzelwerten von Wichtigkeit und Wahrscheinlichkeit übereinstimmen. Die Argumente sind für sich genommen wichtig, löschen sich aber aufgrund ihrer identischen Bewertung gegenseitig aus. Ist die Liste anschließend immer noch sehr lang und unübersichtlich, eliminierst Du solche Paare, die nur in ihrer Gesamtbewertung übereinstimmen.
5. Frage entscheiden
Im finalen Schritt analysierst Du die Ergebnisse. Betrachte dazu die Länge der Pro- bzw. Contra-Spalte, die Gesamtsumme der Wichtungsfaktoren sowie sich abzeichnende Muster. Berücksichtige ebenfalls die Wichtigkeiten, Eintrittswahrscheinlichkeiten und Wichtungen einzelner Punkte. Höre zudem auf das Bauchgefühl. Und triff dann die Entscheidung.
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Beispiele
Beratungsangebot für einen Neukunden
Wenden wir die Benjamin Franklin Methode auf die Ja-Nein-Fragestellung
„Soll ich das Beratungsangebot für den Neukunden schreiben?“
an. Nachfolgend eine unvollständige Liste mit einigen Vor- und Nachteilen sowie deren Wichtungen.
Wie Du erkennst schlägt das Pendel knapp zu Gunsten der Angebotsredaktion aus.
Ja-Nein Entscheidungen im Alltag
Immer wieder stehst Du im beruflichen und privaten Leben vor Ja-Nein-Fragen. Es geht darum, Dich für eine Sache zu entscheiden. Oder eben nicht.
„Sollte ich das Auslandsprojekt leiten, oder nicht?“
„Ist das die perfekte neue Stelle für mich, oder nicht?“
„Nehmen wir die Mietwohnung im Erdgeschoss, oder nicht?“
Die Situation ist dabei immer die Gleiche: Du willst/musst/darfst eine Ja-Nein-Entscheidung treffen.
Eine lange Liste von Stärken- und Schwächen für den zu entscheidenden Sachverhalt liegt vor Dir. Einzeln für sich, sind die Argumente allesamt schlüssig und richtig. Doch entscheiden kannst Du leider nicht. Die Sammlung ist ein einziges Durcheinander. Wichtige Argumente wechseln sich mit unwichtigen ab. Das einzelne Contra fühlt sich viel bedeutender an, als die drei gegenübergestellten Pros.
Zudem bist Du Dir unsicher, ob wirklich alle Vor- und Nachteile zukünftig tatsächlich eintreffen werden. Genau in diese Lücke springt die Benjamin Franklin Methode.
Vor- & Nachteile
Pro
- Die Benjamin Franklin Liste macht das Für & Wider einer geschlossen Frage explizit. Statt Argumente tausendmal im Meeting durchzukauen, stehen die zentralen Pros & Cons an einer Stelle.
- Durch die Ergänzung von Argumenten mit einem spezifischen Gewicht, geht die Benjamin Franklin Methode einen Schritt weiter als eine übliche Pro-Contra-Liste. Die Folge: Auf Basis des Zahlengerüstes lassen sich Entscheidungen einfacher fällen.
- Der Ansatz ist rasch verständlich, vielfältig anwendbar und einfach kommunizierbar.
- Der zusätzliche Wichtungsfaktor erlaubt Dir die (meist große) Menge an Vor- und Nachteilen systematisch auszudünnen. Zudem triffst Du die Entscheidung auf Basis von Zahlen und reinen qualitativen Aussagen.
- Der Aufwand für den Aufbau einer akzeptablen Entscheidungsbasis hält sich in Grenzen.
Contra
- Die Methode ist auf geschlossene Fragen beschränkt. So kannst Du immer nur zwischen zwei Alternativen (Tun/ Lassen, Status Quo/Änderung, Investition/Sparen etc.) entscheiden. Verwende für mehr als zwei Optionen den Paarweisen Vergleich bzw. die Nutzwertanalyse.
- Obwohl sie mathematisch exakt anmutet, liefert die Benjamin Franklin Methode ein qualitatives Ergebnis. Die Wichtigkeit eines Arguments, die Eintrittswahrscheinlichkeit und damit auch der resultierende Wichtungsfaktor basieren auf einer (mehr oder weniger) subjektiven Einzelbewertungen. Auch kann die Formulierung der Frage die Argumentation und ihre Bewertung beeinflussen.
- Die Methode lässt offen, wie die Wichtigkeit und die Eintrittswahrscheinlichkeit für eine spezifische Frage bestimmt werden sollten.
- Gegenüber der Pro-Contra-Liste oder der PMI Methode kostet es Dich etwas mehr Zeit zu einer Entscheidung zu gelangen, immerhin muss für jedes Argument ein Wichtungsfaktor bestimmt werden.
Praxistipps
Tipp 1 – Für Finden von Vor- & Nachteilen Zeit lassen
Schon Benjamin Franklin wusste – gute Entscheidungen fällt man nicht über Nacht. Lass Dir Zeit beim Ausfüllen der Liste, speziell wenn die Entscheidung erst nächste Woche getroffen sein muss. Meistens fallen Dir während der Dusche oder beim Joggen neue Vorzüge bzw. Nachteile ein.
Tipp 2 – Mit FOR-DEC und SWOT kombinieren
Die Benjamin Franklin Methode lässt sich prima mit FOR-DEC und SWOT verbinden. Bette dazu den Ansatz in die Phasen der FOR-DEC Methode ein und fixiere als Optionen entweder das Ja bzw. Nein auf die Frage. Identifiziere mittels SWOT die Stärken und Schwächen bzw. Chancen und Risiken eines Sachverhalts und notiere diese als Vor- und Nachteile mit hohe bzw. geringer Eintrittswahrscheinlichkeit.
Tipp 3 – Alternative Wichtungsfaktoren heranziehen
Franklin sah für jedes Argument die beiden Größen Wichtigkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit vor, die im Produkt die Wichtung ergeben. Möglicherweise sind für Deine Entscheidung andere Aspekte relevant, beispielsweise Kosten, Machbarkeit, Dringlichkeit oder Geschäftswert. Scheue nicht davor zurück diese individuellen Größen statt der Standardfaktoren heranzuziehen.
Tipp 4 – Offene Aspekte explizit kennzeichnen
Manchmal ist nicht direkt ersichtlich, ob es sich um einen Aspekt nun um einen Vorteil oder einen Nachteil handelt. Es sind weiterführende Analysen, Befragungen, Workshops, Interviews erforderlich, die entweder den Vorzug belegen oder das Defizit hervorkehren. Nicht immer sind dafür Zeit und Geld verfügbar.
Statt den offenen Punkt unter den Tisch fallen zu lassen, notierst Du diesen unter der Benjamin Franklin Liste. Später könnt ihr dann immer noch über eine Nachforschung und damit Präzisierung entscheiden.
Tipp 5 – Umsetzung in der Bewertung berücksichtigen
Für die Frage „Möchtest Du Millionär werden?“ fallen Dir sicherlich viele Vorteile ein. Betrachtest Du den Weg zum Millionär (z.B. wenig Geld ausgeben, viel arbeiten), relativiert sich das positive Gesamtbild schnell. Berücksichtige bei Pro und Contra Diskussion daher auch den Umsetzungsprozess.
- Welche Änderungen müssen angestoßen werden?
- Wie hoch ist der Durchführungsaufwand?
- Wie viel Zeit und Geld muss investiert werden?
Gerade bei Diskussionen zu Status Quo halten vs. Änderung anstoßen, ist die Umsetzung ein wesentlicher Aspekt.
Tipp 6 – Mit Perspektivwechsel Argumente finden
Der Einkaufmanager. Der Vertriebsleiter. Der Produktionsverantwortliche. Der Entwicklungschef. Die Vor- und Nachteile für eine Frage hängen sehr stark von der gewählten Perspektive ab. Fast immer ist eine multi-perspektivische Betrachtung besser. Falls kein entsprechender Vertreter bereitsteht, versetzt Du Dich selbst in die Rolle und ergänzt die sichtweisenspezifische Argumente.
Tipp 7 – Chancen & Risiken in Argumente verwandeln
Anders als die SWOT Analyse enthält die Benjamin Franklin Liste nur Stärken und Schwächen. Das heißt jedoch nicht, dass Du Chancen und Risiken vollständig ausblenden musst. Nimm potentielle positive und negative Ereignisse ebenfalls in die Liste als harte Vor- und Nachteile auf und setze dann die Eintrittswahrscheinlichkeit auf einen geringen bzw. mittleren Wert.
Ursprung
Die Benjamin Franklin Methode geht auf Benjamin Franklin zurück. Der Geschichte nach bat 1772 der Theologe Joseph Priestley den US-amerikanischen Naturwissenschaftler, Erfinder und Staatsmann um Rat, hatte er doch von dessen erfolgreicher Methode für komplexe Entscheidungen gehört. In einem Brief skizzierte Franklin grob seinen Ansatz:
„To get over this, my Way is, to divide half a Sheet of Paper by a Line into two Columns, writing over the one Pro, and over the other Con.“
In den historischen Zeilen spricht Franklin spricht von Wichtungsfaktoren sowie dem Eliminieren von identisch gewichteten Argumenten.
Verwechsle die Methode nicht mit Franklin-Methode. Bei dieser handelt es sich um eine vor allem in der Schweiz angebotene alternativmedizinische Bewegungslehre, ersonnen Anfang der 1980er Jahre durch den Schweizer Sportwissenschaftler Eric Franklin.
Bonusmaterial
- Andrea Windolph: Wenn die Pro-Contra-Liste nicht ausreicht: Fundierte Entscheidungen treffen nach Benjamin Franklin, Blogbeitrag 03/2019 – Erklärung und ein Beispiel aus den beruflichen Kontext
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