Das Domain Storytelling – Abläufe visuell durchdringen
Als Projektleiter, Analyst oder Betriebsverantwortlicher bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Womit können wir einen vielschichtigen Geschäftsprozess eingängig und merkbar darstellen?
- Wie lässt sich eine Prozessbeschreibung arbeitsteilig und visuell entwickeln?
- Welche Darstellung eines neuen oder bestehenden Prozesses wird breit und tief in der Organisation verstanden?
Unterstützung findest Du in der Domain Story und dem Verfahren des Domain Storytellings.
Ergebnis: Transparenz und Klarheit über einen bestehenden oder neuen Geschäftsprozess
Teilnehmer: mind. 1 (besser im Team)
Dauer: ab 30 Minuten (je nach Betrachtungsbreite und -tiefe)
Utensilien: Whiteboard/Flipchart/Metaplan-Wand & Stifte oder Notebook & Office Software oder Prozessmodellierungs-Software
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Zweck
Das Domain Storytelling unterstützt Dich in der visuellen und kollaborativen Erfassung, Analyse und Dokumentation von Ist- und Soll-Abläufen. Beim Modellierungsansatz geht es Dir um die Akteure, Gegenstände und Aktivitäten, die Du während des Gespräches über den den Prozess direkt vor dem Augen der Wissensträger zu Papier bringst.
Resultierende Domain Story erzählt einen Prozess wie eine Geschichte und ist sowohl fachlich- als auch technisch-orientierten Stakeholdern verständlich.
Im Unterschied zum SIPOC Diagramm und zur Prozesslandkarte untersuchst Du mit dem Domain Storytelling die Wertschöpfung im Detail. Zwar erreichen die vom Ansatz hervorgebrachten Prozessgeschichten nicht den Genauigkeitsgrad von Ereignisgesteuerten Prozessketten, dafür sind die Ergebnisse aufgrund dem partizipativen Vorgehen und den einprägsamen Symboldarstellungen für viele Stakeholder schneller und einfacher erfassbar.
Synonyme für Domain Storytelling sind das Domain Story Telling (getrennte Schreibweise) sowie das Resultat Domain Story. Seltener triffst Du die eingedeutschten Fassungen domänenbezogenes Geschichtenerzählen an.
Aufbau
Domain Story – „Wie läuft ein Prozess genau ab?“
Eine Domain Story beschreibt einen (Teil-)Prozess als Geschichte mit Akteuren, Gegenständen und Aktivitäten. Eine Story besteht aus mehreren Sätzen. Jeder Satz enthält mindestens einen Akteur, einen Arbeitsgegenstand und eine Aktivität
Modelliere eine Story analog eines Flusses immer in eine Richtung, daher entweder von links nach rechts oder von oben nach unten auf Deiner Dokumentationsfläche.
Versehe zudem Deine Domain Story mit Meta-Informationen wie einem aussagekräftigen Titel, den verantwortlichen Autoren sowie das Datum der letzten Aktualisierung.
Akteur – „Wer sind die handelnden Beteiligten im Prozess?“
Alle agierende Personen (z.B. Versicherungsnehmer), Organisationen (z.B. Versicherung) oder IT-Systeme (z.B. Smartphone App) Deiner Domain Story. Ein Akteur ist aktiv, er manipuliert in Deiner Geschichte mindestens einen Arbeitsgegenstand.
Stelle Akteure in Deiner Domain Story mittels einem aussagekräftigen Icon dar. Zum Beispiel repräsentierst Du einen Kunden durch eine Person mit einer Krone und eine Smartphone App durch ein Handy Symbol.
Als Dreh- und Angelpunkt einer Domain Story kommt jeder Akteur nur einmal in der Domain Story vor.
Arbeitsgegenstand – „Mit welchen Objekten wird im Prozess hantiert?“
Alle realen (z.B. versichertes Auto) sowie virtuellen (z.B. Unfall) Dinge, welche die Akteure in Deiner Geschichte erhalten, erzeugen, bearbeiten, nutzen oder weitergeben. Ein Arbeitsgegenstand ist passiv, er wird in Deiner Story mindestens von einem Akteur manipuliert.
Visualisiere Arbeitsgegenstände ebenfalls durch ein charakteristisches Symbol. Beispielsweise nutzt Du Sprechblase für ein stattfindendes Gespräch oder ein Dokument für eine weitergegebene Unterlage.
Arbeitsgegenstände tauchen mehrfach in Deiner Domain Story auf, falls sie mehrmals in der Geschichte eine Rolle spielen.
Aktivität – „Welche Handlungen finden im Prozess statt?“
Alle Aktionen der Akteure mit den Arbeitsgegenständen während der Umsetzung der Domain Story. Nutze für Aktivitäten einen Pfeil zwischen…
- einem Akteur und einem Arbeitsgegenstand samt einem Verb (z.B. ’stellt bereit‘, ’sendet ab‘, ‚leitet weiter‘)
- zwei Arbeitsgegenständen samt Verb oder Präposition (z.B. ‚inklusive‘, ‚und gibt ggf. an‘, ‚zu‘) sowie
- einem Arbeitsgegenstand und einem Akteur samt Präposition (z.B. ‚an‘, ‚per‘, ‚in‘).
Nummeriere die aus mehreren Pfeilen bestehenden Sätze von 1 bis n durch und erstelle damit eine Reihenfolge in Deiner Story.
Beachte, dass in Domain Stories keine Fallunterscheidungen und keinen Parallelverlauf gibt.
Notiz – „Welche Besonderheiten gelten für den Prozess?“
Alle Annahmen, Varianten und Ausnahmen des Prozesses hältst Du als Notizkarte an den Rändern Deiner Domain Story fest.
Wichtige Varianten des Prozesses, die sich nicht mit einer kurzen Notiz beschreiben lassen, verdienen ihre eigene Domain Story.
Anwendung
Domain Storytelling praktizierst Du im Team mit den Prozessexperten im Rahmen von Workshops. Achte darauf, dass die Domain Story jederzeit für alle Beteiligten sichtbar ist.
1. Nutzer, Scope & Tool definieren
Ermittle zunächst die Nutzer und Anwendungsfälle für resultierende Domain Story.
- Wer braucht das Modell in welcher Sprache?
- Welche Wissensbedarfe möchte sie damit adressieren?
- In welcher Situation kommt das Modell zum Einsatz?
Zurre dann den Betrachtungsbereich fest, welchen Du mit dem Modell erfassen möchtest.
- Geht es nur um einen konkreten Fachprozess?
- Oder sind mehrere Prozesse bereichsübergreifend zu betrachten
- Was ist angrenzenden Abläufen?
Präzisiere schließlich, mit welchen Werkzeug die Story entwickelt werden soll und auf welche Weise ein Review erfolgt.
- Soll PowerPoint oder ein spezielles Modellierungswerkzeug eingesetzt werden?
- Wie wird Feedback zum Modell gegeben und eingearbeitet?
- In welchem Datenspeicher wird das Ergebnis abgelegt: zentral auf einem Laufwerk oder integriert in einem bestehenden Modell?
2. Akteure & Arbeitsgegenstände identifizieren
Jetzt identifizierst Du die Akteure und Arbeitsgegenstände.
- Was ist der Start- bzw. Ziel-Zustand?
- Welche Akteure sind vom Start bis zum Ziel des Prozesses eingebunden?
- Welche Dinge werden erstellt, verändert oder benötigt?
3. Aktivitäten identifizieren
Nun identifizierst Du die Beziehungen zwischen den Akteuren und Arbeitsgegenständen.
- Welche Akteur operiert auf welchen Arbeitsgegenstand?
- Wo wird ein Arbeitsgegenstand einem Akteur zur Verfügung gestellt?
- An welcher Stelle gehen Arbeitsgegenstände ineinander über?
Füge anschließend treffende Verben, Bindeworte bzw. Präpositionen auf den Pfeilen ein.
Hinterfrage isolierte Objekte, also solche die keinerlei Beziehungen zu anderen haben.
4. Notizen identifizieren
Ergänze schließlich weitere Details an der Domain Story.
- Von welchen Annahmen gehen wir aus?
- Welche Sondervarianten betrachten wir nicht in der Tiefe?
- Wo bestehen Ausnahmen?
Achte auf eine kurze und prägnante Sprache.
5. Modell abstimmen
Stimme die resultierende Domain Story mit den Empfängern ab.
- Werden die Inhalte verstanden oder gibt es mehrdeutige Aspekte?
- Inwieweit reflektieren Akteure, Arbeitsgegenstände sowie Aktivitäten den fachlichen Kontext korrekt, konsistent und vollständig?
- Welche Informationen fehlen?
Ergänze, korrigiere und verfeinere bei Bedarf.
Durchlaufe die Schritte 2 bis 5 iterativ – also mehrmalig – und verbessere in jedem Durchlauf die Domain Story.
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Beispiele
Domain Story für die Schadensregulierung
Nachfolgende Abbildung zeigt den Beginn der Domain Story ‚Schadensregulierung bei einer KFZ-Versicherung‚. Die Story besteht aus den beiden Sätzen Schadensverursachung und Schadensmeldung.
Vor- & Nachteile
Pro
- Die Prozessmodellierung mittels einer Domain Story lässt sich leicht erlernen. Mit Akteuren, Arbeitsobjekten, Aktivitäten und Notizen bleiben die Gestaltungsmöglichkeiten handhabbar.
- Als Ergebnis ist die Domain Story auch für Nicht-Modellexperten einfach zugänglich und intuitiv verständlich. Gerade aussagekräftige Icons laden zum Lesen einer Story ein.
- Ganz gleich ob Ist- oder Soll-Prozess, Automobilbau oder Handel – der visuelle Modellierungsansatz ist flexibel einsetzbar.
- Neben dem Resultat steht bei Domain Storytelling der Vorgang der gemeinsamen Prozesserfassung im Vordergrund. Während der Erklärung entsteht schrittweise der Prozess, Feedback kann unmittelbar in die Darstellung einfließen.
Contra
- Speziell zu Beginn der Arbeit Domain Stories fällt es schwer den richtigen Abstraktionsgrad und Scope zu treffen. Oft wird zu breit und detailliert modelliert, jeder Aspekt aus der realen Welt im Diagramm dargestellt. Agiere hier mit Augenmaß.
- Eine Domain Story zeigt keine Verbindungen zwischen Akteuren. Nutze hierzu alternative Darstellungstypen wie das Kontextdiagramm, die Stakeholder Map oder das Klassendiagramm.
- Eine Domain Story bleibt ein Modell der aktuellen bzw. noch zu erschaffenden Wirklichkeit. Es lässt Inhalte aus, stellt diese nur abstrakt da, bzw. erfüllt eine spezifische fachliche Aufgabe.
- Entscheidungspunkte sowie Parallelaktivitäten lassen sich mit einer Domain Story nicht ausdrücken. Nutze hierfür weiterführende Prozessmodellierungsansätze wie die Ereignisgesteuerte Prozesskette oder Business Process Model and Notation (BPMN).
Praxistipps
Tipp 1 – Domänen-spezifische Symbole auswählen
Symbole für Akteure und Arbeitsgegenständen dienen nicht nur der Optik Deiner Domain Story, sondern kapseln gleichsam wichtiges Wissen über den Prozess.
Je nach Domäne, wählst Du passende Symbole. Nutze beispielsweise die kommerziell freien…
Achte darauf, dass Deine Symbole eindeutig, klar und lesbar sind.
Tipp 2 – Elemente mit weiteren Methoden verfeinern
Die in einer Domain Story festgehaltenen Prozessinformationen lassen sich prima mit ergänzenden Methoden weiterverarbeiten. Einige Anregungen:
- Nutze eine Impact Map für das Identifizieren von Akteuren, Arbeitsgegenständen und Aktivitäten. Gewonnene Erkenntnisse fließen als Input für die Domain Story ein.
- Leite für einen Akteur und seine Aktivitäten eine Story Map ab. Ordne dazu die Aktivitäten entlang der Nutzerreise und verorte darunter Anforderungen.
- Beschreibe Akteure mittels dem Persona-Konzept, dem Role Model Canvas oder der AKV Methode.
- Detailliere Arbeitsgegenstände mit Hilfe eines Klassendiagramms aus. Für IT-Systeme nutzt Du den System Footprint.
Tipp 3 – Diagramm am Hauptzweck ausrichten
Ein Skiplan . nutzt Du für die Abfahrt am Schneehang. Ein Kochanleitung – verwendest Du für die Zubereitung eines leckeren Gerichts. Ein Busfahrplan – hilft Dir bei der Bestimmung der Abfahrtszeiten.
Auch Deine Domain Story sollte eine bestimmte Zielgruppe in fest definierten Aufgaben unterstützen. Fixiere diese im Vorfeld – also bevor Du die ersten Striche am Modell machst. Nicht das Diagramm ist wichtig, sondern die Fragen, welche es beantwortet.
Tipp 4 – Offene Punkte direkt in der Story notieren
Es ergeben sich Fragen bei der Modellierung? Haben sich strittige Punkte herauskristallisiert?
Halte offene Fragen direkt in der Domain Story als Kommentar fest und setze sie in Bezug mit den Elementen. Ergänze den Adressaten der Frage sowie eine eindeutige Nummer. Mit einem Blick wissen auf diese Weise alle Leser an welcher Stelle noch blinde Flecke und Ungenauigkeiten existieren.
Tipp 5 – Erstellungsvorgang vor das Ergebnis stellen
Bei der arbeitsteiligen Entwicklung einer Domain Story ist oft der Weg das Ziel. Das gemeinsame Modellieren ist mindestens genauso wichtig wie das Resultat.
Die vielen Arbeitstreffen schrecken vielleicht ab bzw. scheint das Ergebnis im Vergleich der eingebrachten Zeit ziemlich mickrig. Der Aufwand jedoch lohnt.
Mit jedem Termin schärfen die Beteiligten ihr Verständnis. Es kristallisiert sich eine gemeinsame Sprache heraus. Auch wird Konsens geschaffen sowie Unstimmigkeiten erkannt und ausgeräumt. Jeder trägt sein Teil zum Lieferergebnis – der Domain Story – bei.
Tooltipp
Das Beratungsunternehmen WPS stellt Dir mit Egon the Domain Story Modeler einen kostenfreies Open-Source Online-Modellierungswerkzeug zur Verfügung.
Resultierende Domain Story kannst Du als Speicherstand oder Abbildung herunterladen und Dein individuelles Icon-Set importieren.
Ursprung
Als Vertreter des Domain-Driven Designs wurde Domain Storytelling Anfang der 2020er Jahre populär, übertrug der Ansatz das Geschichtenerzählen auf die Modellierung von Prozessen.
Insbesondere die beiden Software Engineering Berater Dr. Stefan Hofer und Henning Schwentner machten mit Vorträgen, Webinaren und einem Fachbuch das Konzept der Domain Stories populär.
Bonusmaterial
Red Hat: Domain Storytelling Overview with Red Hat Open Innovation Labs (5 min) – der Modellierungsansatz am Beispiel von Charakteren aus dem Film ‚The Matrix‘ erklärt
- Stefan Hofer, Henning Schwentner/IT Spektrum 06/2022: Domain Storytelling – Mit guten Geschichten zu besseren Anforderungen – der Modellierungsansatz am Beispiel eines Versicherungsunternehmens
Letzte Aktualisierung am 7.10.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
Sofort mit professionellen Templates starten?
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Super interessant, wie Domain Storytelling dabei hilft, komplexe Geschäftsprozesse greifbar zu machen! Wie seht ihr die Anwendung dieser Methode in euren Projekten? Glaubt ihr, dass sie die Kommunikation zwischen Fach- und IT-Teams verbessern kann? Selbst bei uns im M&A Consulting wird Storytelling in der Kommunikation immer wichtiger.
Hallo Vanessa,
danke für Rückmeldung & Frage. Meine Erfahrung nach 15 Jahren Consulting – Modelle, Diagramme und Konzepte immer an Zielgruppe ihrem Wissensstand und Infobedürfnissen ausrichten. Falls möglich, verpackt in einen merkenswerten Narrativ/Story. Beste Grüße, Christopher