Als Projektleiter, Programmmanager oder Auftraggeber bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Wie lässt sich die Breite und Vielschichtigkeit eines Projektes vor seinem Start rasch ermitteln?
- Womit können wir mehrere mögliche Vorhaben vergleichbar machen und priorisieren?
- Auf welche Weise erlangen wir früh ein ‚Gefühl‘ für ein Projekt und können daraus das notwendige Risikomanagement bemessen?
Unterstützung findest Du in der Projektkomplexitätsmatrix und der strukturierten Ermittlung der Größe einer geplanten oder kürzlich gestarteten Initiative.
Ergebnis: Bestimmung & Bewertung der Komplexität eines Projekts
Teilnehmer: mind. 1 Person
Dauer: mind. 5 Minuten (je verfügbaren Projektinformationen und Umfang)
Utensilien: Notebook & Office Software
Zweck
Mit der Projektkomplexitätsmatrix ermittelst Du die Komplexität und den Anspruchsgrad eines geplanten oder kürzlich lancierten Vorhabens. Anhand von 15 halboffenen Fragen bestimmst Du systematisch die Elemente, Vernetzung, Dynamik und Gegensätzlichkeiten einer Initiative.
Das Resultat ist eine Kennziffer, der Projektkomplexitätswert. Aus diesem leitest Du anschließend Handlungshinweisen zur Führung und Steuerung des Projektes ab und beschließt Risikomanagementmaßnahmen.
Ein weiteres Einsatzszenario der Projektkomplexitätsmatrix ist das Portfoliomanagement. Identifiziere für jedes mögliche Vorhaben den Komplexitätswert und priorisiere daraufhin das Portfolio und die Roadmap.
Synonyme für die Projektkomplexitätsmatrix sind Projektkomplexitätstabelle, Projektkomplexitätsschema oder einfach nur Projektkomplexität.
Aufbau
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Projektkomplexität – „Wie vielschichtig und dynamisch ist unser Vorhaben?“
Projektkomplexität ist keine objektiv messbare Größe. Was Dir als ein vielschichtiges anspruchsvolles Vorhaben erscheint, stellt sich für Deinen Kollegen als Standardübung dar.
Trotzdem existieren typische Merkmale, welche die Komplexität einer Initiative beeinflussen. Die diesem Beitrag angefügte Projektkomplexitätsmatrix listet folgende Komplexitätsfaktoren auf:
- Projektziele: Zahl, Verschiedenheit, Wechselwirkungen und Unsicherheit
- Projektgegenstand: Zahl, Verschiedenheit, Beziehungen und Konfigurationen
- Projektaufgaben: Zahl der Phasen und Arbeitspakete, Abhängigkeiten und Änderungsdynamik
- Projektteilnehmer: Zahl, Verschiedenheit, Zusammenarbeit und Personalwechsel
- Projektumfeld: Einflussgrößen, Vielfalt und Änderungsdynamik
Mit der Matrix bestimmst Du jedes Merkmal anhand von drei Skalierungsfragen. Stets liegt dabei Deine Antwort zwischen 1 (keine, einfach, linear, fix) und 5 (viele, schwierig, unüberschaubar, dynamisch).
Die Summe alle Antworten ergeben den Komplexitätswert Deines Projektes. Die Matrix unterscheidet zwischen tief, mittel und hoch und ordnet diesen Ausprägungen den Umfang Kleinprojekt, Normalprojekt bzw. Großprojekt zu.

Versehe Deine Matrix mit Meta-Infos wie Projektname, Bewerter der Komplexität sowie Datum der Bewertung.
Handlungsoptionen – „Wie sollten wir mit der Projektkomplexität umgehen?“
Je nach Komplexitätswert und damit Projektumfang schlägt die Projektkomplexitätsmatrix konkrete Maßnahmen für die Steuerung und Führung des Vorhabens vor.
- Organisation: Einrichtung eines Steuerkreises, Wechsel von Linien- über Matrix- zu Projektorganisation, Besetzung eines Projekt-Offices
- Kompetenzen: Training im Projektmanagement, Maßnahmen zur Teambildung und -entwicklung
- Vorgehen: Splitting in Teilprojekte, Bildung eines Projektprogramms, Vorgehen nach einem gestuften bzw. agilen Vorgehensmodell
- Berichtswesen: Einrichtung eines Statusberichtswesens, Verdichtung des Berichtsrhythmus, Nutzung eines Pulse Boards
- Kommunikation: Aufbau eines Kommunikationsplans, Erweiterung der Projektsprachen, Schaffung von Austauschgelegenheiten wie Lean Coffee
Dir bleibt überlassen, welche Handlungsoption(en) Du zum Einsatz bringst. Die Komplexitätsmatrix macht keine Vorschläge oder Empfehlungen.
Anwendung
Die Projektkomplexitätsmatrix solltest Du während der Projektplanung und spätestens vor dem Kick-Off zur Anwendung bringen. Sowohl eine Einzelbeurteilung als auch eine Anfertigung im Team ist möglich.
1. Projektkomplexität beurteilen
Beantworte die Fragen der Projektkomplexitätsmatrix auf Basis der Dir vorliegenden Projektinformationen. Bringe offene Punkte in Erfahrung, beispielsweise in Terminen zur Auftragsklärung oder dem Desk Research.
2. Handlungsoptionen auswählen
Wähle auf Basis des Komplexitätswerts für Dein Projekt geeignete Handlungsoptionen aus. Ernenne Verantwortliche, Beteiligte, Informations- und Entscheidungsträger, beispielsweise mit Hilfe der RACI Matrix oder der AKV Methode.
3. Maßnahmen umsetzen
Setze die Maßnahmen im Projekt um und beurteile regelmäßig die Zweckmäßigkeit. Erweitere, reduziere oder stoppe Maßnahmen, je nach Wirksamkeit.
Beispiele
Projektkomplexität beim Kochen
Das Braten eines Spiegeleis zum Eigenverzehr bewertet die Projektkomplexitätsmatrix als Kleinprojekt. Das Ziel steht fest (‚Hunger gestillt‘), das Ergebnis ebenfalls (‚Spiegelei‘). Auch die Projektaufgaben lassen sich direkt ableiten (‚1. Ei und Öl einkaufen, 2. Öl erhitzen, 3. Ei braten, 2. Pfanne reinigen, 5. Ei essen‘). Die Teilnehmer sind auf Dich beschränkt, beim Projektumfeld hängst Du ausschließlich von der Strom- bzw. Gasversorgung Deines Herdes ab.
Projekte leicht gemacht: Die Projektmerkmale (3 min) – Projektkomplexität beim Kochen
Ganz anders die Zubereitung eines 5-Gänge-Menüs für 20 Personen. Die Projektkomplexitätsmatrix ermittelt hier ein Normal- bzw. Großprojekt. Die Zahl der Ziele steigt (‚Hunger gestillt, Gäste beeindruckt‘), die Menge der Ergebnisse ebenfalls (‚verschiedene Gerichte‘). Die Projektaufgaben laufen nun auch parallel ab, ggf. brauchst Du zusätzliche eine Küchenkraft. Mit der steigenden Zahl der Teilnehmer wachsen auch die Anforderungen an die Gerichte in Sachen verwendete Zutaten und Zubereitung (‚vegetarisch, laktosefrei, kalorienarm‘). Je größer das Kochprojekt, desto mehr Umfeldfaktoren bist Du ausgesetzt.
Vor- & Nachteile
Pro
- Die Projektkomplexitätsmatrix und ihre Fragen sensibilisieren zur Vorabanalyse eines Vorhabens. Beim Ausfüllen setzt Du Dich automatisch mit dem Projekt auseinander.
- Sind die notwendigen Informationen vorhanden, gestaltet sich die Ermittlung der Projektkomplexität pragmatisch und schnell. Auch mehrere Vorhaben können rasch gegenübergestellt werden.
Contra
- Die Bewertung eines Vorhaben mittels der Projektkomplexitätsmatrix bedarf umfassender Informationen. Gerade zu Projektbeginn liegen diese nicht vor bzw. ist die Wahrscheinlichkeit einer Änderung hoch.
- Der mit der Matrix ermittelte Komplexitätswert ist eine Zeitpunktbetrachtung. Das Projekt, seine Stakeholder sowie das Umfeld ändern sich und damit die Bewertung der Initiative.
- Trotz Herunterbrechens der Projektkomplexität auf 15 Faktoren, bleibt der ermittelte Wert weiterhin subjektiv. Die Skalenangaben sind qualitativ, die Bewertung abhängig von der Erfahrung in der Leitung von Projekten.
- Die Komplexitätsmatrix gibt keine Hilfestellungen zum Umgang mit einem einfachen, mittleren oder schwierigen Vorhaben. Ansätze wie die Stacey Matrix machen konkrete Vorschläge.
Praxistipps
Tipp 1 – Komplexitätswert für die Planung nutzen
Lasse neben Budget, Umsetzungszeit und Ergebnisumfang auch die Projektkomplexität in die Bewertung eines Vorhabens einfließen. Komplexe Vorhaben sicherst Du mit einem sorgsamen Risikomanagement ab.
Tipp 2 – Matrix zusammen im Team komplettieren
Komplettiere die Projektkomplexitätsmatrix in der Arbeitsgruppe. Der Findungsprozess erzeugt eine gemeinsame Sicht auf die Projektkomplexität. Auch wird die Teamentwicklung gefördert und ein gleiches Projektverständnis herausgebildet. Geeignete Konstellationen sind…
- Auftraggeber mit Projektleiter bzw. Steuerkreis oder
- Projektleiter mit Projektteam bzw. Teilprojektleitern.
Tipp 3 – Komplexität des Vorhabens gezielt senken
Komplexität kannst Du einerseits managen, andererseits reduzieren. Überlege das Vorhaben in Zielen, Ergebnisumfang, Aufgaben und Beteiligte zu beschneiden. Einige Anregungen:
- Entwickle ein Minimum Viable Product mit den wesentlichen Funktionen.
- Liefere das Ergebnis nacheinander in sequentiellen Leistungsstufen.
- Starte mit einfach realisierbaren Features, die durchweg einen geschäftlichen Nutzen generieren.
Ursprung
Die Projektkomplexitätsmatrix geht auf Gerold Patzak und seinen Beitrag Messung der Komplexität von Projekten im Magazin projektMANAGEMENT aktuell vom Mai 2009 zurück. Nach mehreren Einsätzen habe ich die Matrix etwas adaptiert.
Bonusmaterial
PMC Lounge: What makes a project complex? (4 min) – der Clip erklärt 11 Faktoren, welche die Projektkomplexität ansteigen lassen
Zuletzt aktualisiert am 10. März 2023 durch Dr. Christopher Schulz
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