Das Ishikawa Diagramm – die Problemursachen visualisieren
Als Projektleiter, Manager oder Problemverantwortlicher bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Worin bestehen Ursachen und deren Kausalbeziehungen für ein aufgetretenes Problem?
- Durch welche Maßnahmen können wir ein spezifisches Ziel effizient erreichen?
- Wie sollte eine Sache aus verschiedenen Perspektiven ausgestaltet werden?
Unterstützung findest Du im Ishikawa Diagramm erstellt im Rahmen einer Root Case Analysis.
Ergebnis: Gruppierung möglicher Ursachen eines Problems nach Kategorien
Teilnehmer: mind. 1 Person (Team empfehlenswert)
Dauer: 30-90 Minuten
Utensilien: Whiteboard/Flipchart/Metaplan-Wand, Karten & Stifte oder Notebook & Office Software / Mindmap Software
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Zweck
Ein Ishikawa Diagramm hilft Dir die (möglichen) Ursachen für ein aufgetretenes Problem zu visuell aufzuspüren. Das Werkzeug ist zentraler Bestandteil der Root Cause Analysis (RCA), zu deutsche Hauptursachenanalyse.
Mittels des Modells visualisierst Du systematisch und übersichtlich…
- die (potentiellen) Kausalbeziehungen zwischen
- verschiedenen Ursachen (engl. Causes) und
- einer Wirkung – dem Problem (engl. Effect).
Gerade bei komplizierten Problemstellungen, mit vielen Elementen, diversen Verbindungen und dynamischen Wechselwirkungen erleichtert das Werkzeug die Analyse und Kommunikation.
Neben einer Problemanalyse strukturiert das Ishikawa Diagramm als eingängige und rasch verständliche Darstellung ebenfalls Zielfindungs- und Kreativitätstreffen.
Oft wird der Diagrammtyp als ein toter Fisch mit sechs Hauptgräten dargestellt. Vor diesem Hintergrund bezeichnen einige Personen das Modell gern als Fischgrätendiagramm bzw. englisch Fishbone diagram.
Alternative Bezeichnungen sind Ursache-Wirkungs-Diagramm, Fehlerbaumdiagramm bzw. Cause-and-effect diagram sowie 4M-Methode, 6M-Methode bzw. 8M-Methode, wobei die voranstehende Nummer für die Anzahl der Ursachenkategorien steht und ‚M‘ der Anfangsbuchstabe der Ursache ist.
Aufbau
Ishikawa Diagramm – „Worin bestehen die potentiellen Ursachen für ein Problem?“
Das Ishikawa Diagramm besteht aus genau drei Bestandteilen. Kopf, Gräten und Verzweigungen. Gerne kannst Du das Diagramm mit Meta-Informationen wie den Autoren, das Datum der letzten Aktualisierung sowie einer prägnanten Überschrift versehen.
Diagrammkopf – „Was ist das Problem?“
Als der Erfinder Ishikawa Kaoru den Diagrammtyp ersann, kannte er sicherlich das Sprichwort „Der Fisch stinkt vom Kopf„. Im Ishikawa Diagramm trägt der Kopf das zu analysierende Problem, die Schwachstelle bzw. die Anomalie.
Formuliere den Kopf so präzise und spezifisch wie möglich. Zentrale Frage: „Wie konnte es dazu kommen?“.
Der Kopf wird von den einzelnen Gräten bestimmt bzw. definiert diese. Er ist damit gleichzeitig Bezeichner für bzw. Resultat von den Gräten.
Hauptgräten – „Wie lassen sich die Ursachen kategorisieren?“
Die mit dem Kopf verbundenen Hauptgräten repräsentieren die möglichen Ursachenkategorien für das Problem. Als kleine Hilfe schlug der Ishikawa Kaoru vier (später sechs) Kategorien vor:
- Mensch (z.B. Kommunikation, Zusammenarbeit, Rollen, Hierarchien)
- Maschine (z.B. Bauart, Leistung, Wartungszustand)
- Mitwelt (z.B. Arbeitsklima, Arbeitsvereinbarungen, Gesetze)
- Material (z.B. Zustand, Kennwerte, Lagerung)
- Methode (z.B. Vorgehensweisen, Geschäftsprozesse, Arbeitsanweisungen)
- Messung (z.B. Kalibrierung, Kennzahlen, Kontrollprozesse)
Weitere verbreitete Ursachentypen sind ‚Management‘ (z.B. Ziele, Entscheidungen, Strategie) und ‚Money‘ (z.B. Investition, Verbindlichkeiten, Vermögen).
Beachte, dass es sich hier um Anregungen handelt. Wähle zusätzliche bzw. alternative Kategorien, die fachlich vertraut sind und zu der Problemstellung passen und nicht zwangsläufig mit dem Buchstaben ‚M‘ beginnen müssen.
Formuliere prägnant und eindeutig. Als Anzahl hat sich in meinen Anwendungen ein Wert zwischen mindestens 4 und maximal 8 Kategorien als optimal herausgestellt.
Verzweigungen – „Was ist eine (mögliche) Ursache für das Problem?“
In Form von Verzweigungen hängen an den Hauptgräten die spezifischen Problemursachen. Definiere diese so konkret wie möglich. Notiere die Ursachen auf Moderations- oder Klebearten. Diese können verschoben, gestapelt und auch nachträglich von der Arbeitsfläche genommen werden.
Ursachen können sich weiter in Unterursachen verzweigen, diese in Unterunterursachen etc..
Unterscheide durch eine Markierung an der Karte zwischen tatsächlichen und potentiellen Ursachen.
- Tatsächliche Ursachen lassen sich durch Beispiele, Beobachtungen, Befragungen und Messungen belegen.
- Potentielle Ursachen sind vermutete Gründe, auch Hypothesen oder Annahmen, für das Problem. Ihr Beleg steht noch aus.
Methoden wie die Five-Why Fragetechnik, die 6-W Fragetechnik oder der Issue Tree helfen Dir im Finden der Kernursache für das Problem.
Anwendung
Ein Ishikawa Diagramm entwickelst Du am besten im Team im Rahmen eines Root Cause Analysis Workshops. Mittels Kreativitätstechniken wie dem Brainstorming, der 6-Hüte-Methode oder SCAMPER kommt ihr rasch zu den verschiedenen Ursachen.
1. Diagramm vorbereiten
Notiere das Ishikawa Diagramm auf einem Whiteboard, Flipchart, Metaplanwand oder Brownpaper. Ergänze im Kopf das Problem und wähle anschließend Ursachenkategorien.
Überlege Dir problemrelevante Fragen. Kommuniziere zudem einen Zeitbedarf von mindestens 30 Minuten.
2. Problemursachen sammeln
Identifiziert im Team die (potentiellen) Ursachen des Problems. Achtung: Ursachen, nicht Symptome. Stelle sicher, dass sich die Diskussionen nicht an den Symptomen festbeißen. Notiert die Symptome auf selbstklebende Karten.
Haltet Euch beim Sammeln an die Brainstorming Regeln. Zuerst zählt die Quantität, erst im Anschluss wird bewertet. Stelle offene Fragen nach dem ‚Warum‘ und motiviere damit Deine Kollegen weniger offensichtliche Ursachen ans Tageslicht zu fördern.
3. Ergebnis prüfen
Überprüft anschließend, ob ihr den Großteil der Ursachen finden konntet bzw. diese auch korrekt verzweigt wurden. Stelle hier erneut Fragen, um letztlich die Grundursache (engl. Root Cause) aufzudecken. Nützlich dabei ist die mehrfache Frage nach dem ‚Warum‘ mittels der Five-Why Fragetechnik.
4. Hauptursachen auswählen und bewerten
Nun ist es an der Zeit, die Hauptursachen für ein Problem herauszufinden. Falls ihr sehr viele Gründe gefunden habt und die Meinungen auseinandergehen, kannst Du die Teilnehmer auch abstimmen lassen.
Lasse im Zweifel kleine orangene Punkte kleben. Jeder Teilnehmer darf die ihm zugeteilten drei Punkte auf die seiner Meinung nach wichtigsten Ursachen verteilen. Ihr bewertet dann diejenigen Ursachen, die die meisten Punkte abbekommen haben.
5. Maßnahmen beschließen
Im finalen Schritt entscheidet ihr Maßnahmen um die identifizierten Hauptursachen abzustellen bzw. zumindest die Schadensausmaße bzw. Eintrittswahrscheinlichkeiten abzusenken.
Je nach Problem können das kleine Aufgaben oder auch ganze Mini-Projekte werden. Nutze eine Aufgabenliste, um zu fixieren, welche Person bis wann eine Tätigkeit zu erledigen hat.
Ein Praxisfehler ist das Überspringen dieses Schrittes. Was nützt eine tiefgründige Ursachenanalyse, wenn im Nachgang dann keiner etwas unternimmt?
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Beispiele
Fehlerhafter Datenexport aus einem IT-System
Das Problem ist typisch in einem IT-Ablöseprojekt: Die Daten eines abzulösenden Altsystems werden nicht korrekt exportiert.
Untere Abbildung illustriert beispielhaft ein Ishikawa Diagramm für einen fehlerhaften Datenexport. Die Liste an Ursachen ist weit davon entfernt vollständig zu sein. Aber es ist ein Anfang auf dessen Grundlage Analysemaßnahmen am Quellesystem, Exportlogik, Quelldaten etc. eingeleitet werden können.
Vor – & Nachteile
Pro
- Das Ishikawa Diagramm illustriert ein Problem visuell und ganzheitlich. Statt sich auf ausschließlich eine Ursachenkategorie zu beschränken, beleuchtest Du und Dein Team eine Fragestellung aus mehreren Perspektiven und schaffst mit dem Fischgrätendarstellung eine Gesamtsicht.
- Wissenslücken, daher nicht tiefgründig bekannte Ursachenfelder, lassen sich mit Hilfe des Diagrammtyps direkt identifizieren.
- Beides – Root Cause Analysis und Ishikawa Diagramm – sind rasch erlernbar. In 5 Minuten hast Du die Technik Kunden, Partnern und Kollegen erklärt. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
- Die zentrale Abbildung fungiert als visueller Anker und regt die Teilnehmer zum Mitmachen ein. Eine positive Spannung entsteht, da (fast) jeder wissen möchte, welche neuen Verzweigungen dazukommen.
- Die gemeinsame Arbeit im Team an einem Ishikawa Diagramm inspiriert. Bereits nach einer Viertelstunde steht eine erste übersichtliche und nachvollziehbare Darstellung möglicher Ursachen-Wirkungszusammenhänge.
- Ein Ishikawa Diagramm lässt sich flexibel den jeweiligen Zielen und Randbedingungen anpassen. Füge beispielsweise Hauptgräten dazu, tausche bestehende aus oder entferne nicht benötigte Ursachenkategorien.
Contra
- Bei komplexen, vielschichtigen Problemen mit einer hohen Menge von Ursachen, Unterursachen und Wechselbeziehungen wird die Fischgräten-Visualisierung unübersichtlich.
- Kategorieübergreifende Zusammenhänge zwischen Ursachen lassen sich nicht darstellen. Zwar können Linien ergänzt werden, schnell wird das Diagramm jedoch dadurch unübersichtlich
- Auch für zeitliche Abhängigkeiten versagt der Darstellungstyp. Er bietet ausschließlich eine statische Sicht auf den aktuellen Zustand.
- Das Ishikawa Diagramm hilft Dir weder ein Problem-Ursachen-Zusammenhang zu belegen, noch eine passende Ursachenabstellungsmaßnahme zu definieren.
- Die Technik eignet sich nur für die Analyse von Problemen, die bereits aufgetreten sind. Für in der Zukunft liegende Kann-Probleme, wie bei der Risikoanalyse, ist das Ishikawa Diagramm ungeeignet.
Praxistipps
Tipp 1 – Alternativ für Zielefindung einsetzen
Das Ishikawa Diagramm unterstützt Dich nicht nur beim Finden von Problemursachen. Auch beim Brainstorming von Ideen, Diskussion von Zielen und Strukturierung von Geschäftsprozessen hilft Dir der Visualisierungstyp. Einige Anregungen:
- Notiere im Kopf ein (SMARTes) Ziel und finde Wege (Gräten) dieses zu erreichen.
- Alternativ wählst Du als Kopf das Ergebnis eines Prozesses. Die Prozessschritte visualisierst Du als Gräten.
- Schließlich stellst Du im Kopf eine Frage, und findest auf diese Antworten und Unterantworten.
Tipp 2 – Große Gräten in Zusatzdiagramm auslagern
Falls Du bereits zu Beginn der Arbeiten absehen kannst, dass für eine Ursachenkategorie sehr viele Ursachen zusammenkommen, visualisierst Du diesen Zweig besser in einem separaten Diagramm mit geeigneten Kategorien.
Tipp 3 – Potentielle Ursachen zunächst nachweisen
Du vermutest eine Ursache, bist aber nicht ganz sicher?
Bevor eine Maßnahme zur Abstellung aufgesetzt wird, muss zunächst der Wirkungszusammenhang – die Kausalität – zwischen Ursache und Problem nachgewiesen werden.
- Welche Informationsquelle dem Zusammenhang liegt zugrunde?
- Handelt es sich um eine Meinung, oder einen gesicherten Fakt?
- Wie glaubhaft sind die Angaben?
Erst wenn der Bezug gesichert ist, kannst Du die Ursache eindämmen bzw. ganz eliminieren.
Tipp 4 – Diagramm auf Problemstellung anpassen
Zahl und Ausprägung der Ursachenkategorien hängt von der Problemstellung ab. Stecke etwas Zeit in die vorbereitende Konzeptionsarbeit und definiere zunächst das Problem, beispielsweise mit Hilfe der Problembeschreibung, dem TOSCA Framework oder der Problem-Ziel-Beschreibung. Lege dann ein Fischgrätendiagramm vor, welches zum betrachtenden Problem passt.
Spielt beispielsweise für IT-Systeme oft Speicher, Schnittstellen und Funktionslogik eine Rolle, ist es bei einem Problem im Marketing eher Preis, Produkt, Platzierung und Promotion.
Tipp 5 – Sitzung mit Maßnahmenverteilung beenden
Versehe am Ende das Ishikawa Diagramm mit einer zusätzlichen Karte mit dem Datum sowie den Teilnehmer und halte das Ergebnis als Fotoprotokoll fest.
Versende die resultierende Aufgabenliste zusammen mit der Fotoaufnahme als Gesamtergebnis Eures Problemlösungs-Meetings an die Teilnehmer.
Tipp 6 – Verdeckt zur Anwendung bringen
Falls ein Empfänger Kreativmethoden wie dem Ishikawa Diagramm ablehnend gegenübersteht, bringst Du die Visualisierung am besten implizit zur Anwendung ohne es einzuführen.
Schnell ist die charakteristische Grätenstruktur am Whiteboard oder Flipchart skizziert und im Gespräch diskutiert. Dabei ist es zweitrangig, ob es sich um hypothetische oder wahre Ursachen handelt.
Alternativ bringst Du eine Menge ungeordneter Punkte im Nachhinein in die Form eines Fischgrätendiagramms. Der Darstellungstyp eignet sich sehr gut zur Kommunikation.
Lesetipp
Roland Schnur geht auf seiner Webseite www.sixsigmablackbelt.de ausführlich auf die Anwendung des Ishikawa Diagramms ein. Ebenfalls stellt er passende Software vor und liefert Tipps bei der Befüllung der Hauptgräten.
Tooltipp
Hast Du und Dein Team keinen Meeting-Raum zur Verfügung, könnt ihr das Ishikawa Diagramm alternativ am Notebook modellieren. Nutze dazu Microsoft PowerPoint, Visio oder eine Mindmap-Software. So hast Du mit PowerPoint in wenigen Minuten eine Ishikawa Struktur zusammengeklickt. Alternativ nutzt Du die dieser Methode beigefügten Vorlage. Online helfen Dir Tools wie Creately ein Fischgrätendiagramm zu erstellen.
Ursprung
Das Ishikawa Diagramm trägt den Namen seines gleichnamigen Schöpfers Ishikawa Kaoru. Der japanische Chemiker konzipierte in den 1940er und 50er Jahren ein ganzes Arsenal von Qualitätswerkzeugen, darunter 1943 auch der heute noch bekannte Diagrammtyp.
Bonusmaterial
Zum Fachwirt: Ishikawa Diagramm Erklärung & Beispiel (7 min) – der Clip erklärt das Ishikava Diagramm noch einmal samt Beispiel
- Roland Schnurr/sixsigmablackbelt.de: Ishikawa Diagramm – Ursache Wirkungs Diagramm – ausführlicher Artikel samt Fragen zu den Kategorien, passenden Softwareempfehlungen sowie Ideen zur Ursachenbehebung
„Stände ich vor einem Problem, von dem mein Leben abhängt, so würde ich
45 Minuten darauf verwenden, das Problem zu verstehen,
10 Minuten darauf verwenden, eine Lösung zu finden, und
5 Minuten darauf verwenden, die Lösung umzusetzen.“
– Albert Einstein, deutscher Physiker
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